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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Familienpolitik

Bielefeld (ots)

Das Gezetere um die Verfassung steht im
Gegensatz zu permanenten Verfassungsbrüchen, die gerade auch in der 
Familienpolitik verübt werden. Dazu einmal ein deutliches Wort.
Einen Vorschlag hat Innenminister Wolfgang Schäuble noch nicht 
unterbreitet, obwohl er schon gängige Praxis ist: Wie wär's, wenn man
Vorbeugungsmaßnahmen gegen den Terror, selbst wenn sie der Verfassung
widersprechen sollten, einfach als »rechtswidrig, aber straffrei« 
präsentieren würde? Das funktioniert doch, wie man im Falle der 
Abtreibung sieht. Da werden letztlich Menschen getötet, weil man sie 
verdächtigt, das Leben der Mutter zu beeinträchtigen.
Das ist zwar rechtswidrig und verstößt gegen Grundgesetz-Artikel 2, 
Absatz 2 (Recht auf Leben), ist aber straffrei ...
 So könnte man es also auch mit verdächtigen Personen machen, die 
terroristische Aktivitäten entfalten könnten. Aber kein führender 
Politiker in Berlin würde je eine solche Parallele ziehen.
Denn Abtreibung gilt als Errungenschaft. Ob Kinder fehlen oder nicht,
es ist eine Art heilige Kuh des Berliner Establishments.
 Verfassungstreue ist offenbar relativ in Deutschland. Sie gilt, wenn
sie passt. All jene, die we- gen Schäuble aufheulen, schweigen, wenn 
es um Verfassungsbrüche geht, die seit langem wie selbstverständlich 
auf Kosten der Familien begangen werden.
Ein neuer Bruch steht bevor. Ministerin Ursula von der Leyen macht 
sich für höheres Kindergeld stark - aber nur für kinderreiche 
Familien. Ein-Kind-Familien sollen leer ausgehen, obwohl das der 
Verfassung widerspricht.
Der Bruch geht noch tiefer: Das Kindergeld ist mittlerweile nur noch 
Teil des Existenzminimums. Wie bei anderen staatlichen 
Verpflichtungen sollte jedoch wenigstens der Inflationsschub 
aufgefangen werden. Seit 2002 wurde das Kindergeld nicht mehr erhöht.
Es wäre mithin längst überfällig. Urteile des 
Bundesverfassungsgerichts untermauern dies.
Die schäbige Behandlung gerade der Familien mit mehreren Kindern hat 
traurige Tradition. Sie fing bei Helmut Kohl an, dessen Regierung die
Steuerfreibeträge senkte und das Kindergeld selbst vom dritten Kind 
an nivellierte, und setzte sich bei Rot-Grün fort. Die jetzige große 
Koalition benachteiligt diese Familien rigoros und konzentriert sich 
offenbar fast ganz auf ihre Idealfamilie, also auf die 
Doppelverdiener, so dass die beim Verfassungsgericht anhängigen 
Klagen gegen Öko- und Mehrwertsteuer durchweg von kinderreichen 
Familien stammen. Eine Erhöhung des Kindergeldes wäre zwingende 
Pflicht dieser Regierung, um aus dem »permanenten Verfassungsbruch« 
(Paul Kirchhof) gegenüber den Familien zumindest ein Schrittchen 
herauszukommen.
 Der Vorstoß der Familienministerin ist, mit Verlaub, vorbeugende 
Heuchelei, weil ebenso verfassungswidrig wie die vorbeugende 
Abtreibung und Schäubles Überlegung, Terrorverdächtige notfalls 
vorbeugend töten zu können.
Niveau oder gar Stil hat der würdelose Widerstreit nicht.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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