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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Preiserhöhung bei Milchprodukten

Bielefeld (ots)

Fast scheint es so, als hätten Deutschlands
Bauern seit ein paar Tagen statt der Kühe die Verbraucher selbst an 
die Melkmaschinen gehängt. Bis zu 50 Prozent Preiserhöhung für 
Butter, Milch und Quark: Eine solche Nachricht provoziert natürlich 
Ärger - so viel Ärger, dass selbst die größte Kuhhaut dafür nicht 
mehr ausreicht. Gönnt der Bauer etwa dem Hartz-IV-Empfänger nicht die
Butter auf dem Brot?
In Wirklichkeit war der Milchbauer bislang das Aschenbrödel einer 
durch den jahrzehntelangen Strukturwandel gebeutelten Landwirtschaft.
Wer aufmerksam durch die Dörfer fährt und einen Blick in die leeren 
Ställe wirft, kann die Folgen sehen. Lange Zeit schien es, als ginge 
es mit der Landwirtschaft in Deutschland nur noch bergab. Erst der 
steigende Wohlstand in Osteuropa und Asien sowie der wachsende Hunger
nach alternativen Energien haben vor kurzem für eine Trendwende 
gesorgt.
Die Bauern ernten jetzt, was sie dadurch, dass sie sich mit Hilfe von
Milchquote und anderen Prämien viele Jahre als Berufsstand 
einschränkten, ausgesät haben. Die Milchseen und Butterberge, die in 
vielen Steuerzahlerköpfen noch als ein von der EU finanziertes 
Schlaraffenland existieren, gibt es schon lange nicht mehr.
 Ein Teil der Felder, die die Getreideüberschüsse produzierten, ist 
stillgelegt. Die wachsende Zahl der Biobauern produziert heute 
weniger Lebensmittel - in besserer Qualität. Nur beim Wein werden vor
allem in Südeuropa noch viel zu viele gute Tropfen in die 
Destillation gegeben.
Preiserhöhungen, in Prozentzahlen gemessen, sind immer relativ. Um 
sich ein kleines Auto zu finanzieren, musste der Landwirt vor 30, 35 
Jahren im Vergleich zu unserer Zeit fast das Zehnfache an Getreide 
produzieren. Selbst nach der 50-prozentigen Preiserhöhung kostet der 
Liter Milch heute nicht mehr als vor 25 Jahren.
 Für den armen Teil der Bevölkerung, der schon die Anhebung der 
Mehrwertsteuer, die Eigenvorsorge für das Alter sowie die höheren 
Transport- und Heizkosten zu verdauen hat, summieren sich die 
Preiserhöhungen dieses Jahres in einem erschreckenden Maß. Aber 
welcher Normalverdiener muss deshalb auf die Sahne im Kaffee 
verzichten? Mancher dicke Körper freut sich vielleicht sogar, wenn er
demnächst, wenn auch die Fleischpreise spürbar anziehen, mit einem 
Vegetariertag konfrontiert wird.
Mit ihren Aufsehen erregenden Protestaktionen, bei denen sie 
Billigmilch kostenlos vor den Discountmärkten verteilten, haben die 
Bauern den Boden für die jetzigen Preiserhöhungen vorbereitet. Viele 
zeigen Verständnis dafür, dass gute Lebensmittel besser bezahlt 
werden müssen. Dass sie dabei auch auf eine Senkung der Subventionen 
hoffen, ist selbstverständlich.
Die grundsätzliche Zustimmung wird sich aber schnell ins Gegenteil 
verkehren, wenn sich der Eindruck verstärkt, dass der größte Teil der
Preiserhöhungen gar nicht beim Landwirt ankommt. Melken lassen will 
sich der Verbraucher nicht - auch nicht von Molkereien oder 
Handelsketten, die ihre Preise eventuell untereinander absprechen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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