Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Mügeln
Bielefeld (ots)
Nach dem Gewaltexzess von Mügeln ist die Bestürzung groß. Wieder einmal wurden dunkelhäutige Menschen zu Opfern, wieder einmal war der Tatort eine Kleinstadt im Osten Deutschlands. Und wieder einmal wird die Frage gestellt: Ist »der Osten« braun? Vorschnelle Pauschalurteile verbieten sich. Bislang ist weder bewiesen noch ausgeschlossen, dass in Mügeln organisierte rechte Schläger am Werk waren. Das aufzuklären ist Sache der Polizei. Die hat die Dimension des Falles zwar anfangs maßlos unterschätzt, dürfte aber spätestens durch den Besuch des sächsischen Ministerpräsidenten am Tatort motiviert genug sein, den Hergang der Gewalttat und die Motive der Täter aufzuklären. Dabei haben es die Beamten auch in der Hand, den bisweilen geäußerten Verdacht zu entkräften, die Polizei in den neuen Bundesländern sei auf dem rechten Auge blind. Schrille Panikmache hilft bei der Einordnung der Geschehnisse von Mügeln nicht weiter. Genau die aber betreibt Sebastian Edathy, der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, wenn er pauschal allen Menschen dunkler Hautfarbe vom Besuch von Volksfesten in ostdeutschen Kleinstädten abrät. Angestrengtes Wegschauen ist ebenso fehl am Platze. »Bei uns gibt es keine rechtsextreme Szene«, tönte Mügels Bürgermeister auch gestern noch. Wehe dem Bürgermeister im Westen Deutschlands, der eine solche Behauptung erheben würde. Denn unübersehbar gibt es ihn, den dumpfen Mob, vielerorts in Deutschland. Die Aufmärsche in diesem Jahr in Bielefeld, Paderborn und Gütersloh sind Beweis genug. Was aber ist der Unterschied zwischen Bielefeld, Gütersloh, Paderborn und Mügeln, Halberstadt (Überfall auf eine Theatergruppe) oder Schwerin (Angriff auf dunkelhäutige Franzosen)? Im Westen Deutschlands tritt eine breite bürgerliche Bewegung der an Zahl ja kleinen Gruppe von Rechtsaußen-Rüpeln entgegen. Die Gegendemonstrationen in Ostwestfalen-Lippe haben es gezeigt. In Sachsen und anderswo findet man solche Zivilcourage noch selten. Der »Aufbau Ost« hat neue Straßen, wirtschaftlichen Fortschritt und gefestigte demokratische Strukturen geschaffen. Noch aber wird die Demokratie im Osten Deutschlands längst nicht so selbstverständlich und selbstbewusst gelebt wie im Westen - dem nach der Hitler-Diktatur allerdings auch vier Jahrzehnte des SEDObrigkeitsregimes erspart geblieben sind. »Es muss alles vermieden werden, was nach Verharmlosung und Verniedlichung aussieht«, fordert Wolfgang Tiefensee, der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder. Das gilt nicht nur für die Tat von Mügeln, sondern auch für die Ursachen der erschreckenden Gewaltbereitschaft. Eines aber steht jetzt schon fest: Gleichgültig, ob die Schläger von rassistischen Motiven getrieben oder im - pardon - Suff jegliche Kontrolle über sich verloren haben: Eine Schande bleibt die blutige Hetzjagd von Mügeln allemal.
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