Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Putin
Bielefeld (ots)
Vakuum bedeutet umgangssprachlich schlicht Leere. Physiker verstehen darunter den Zustand von Materie in einem Volumen bei deutlich geringerem Druck als in der Umgebung. Aus Russland kamen gestern gleich zwei Meldungen, die den Begriff erweitern und neue Lehren aus der Leere zu ziehen erlauben. Mit der Zündung einer Vakuum-Bombe, fast so stark wie atomare Sprengsätze, knüpften die wieder erstarkenden Kreml-Herren lautstark an alte Weltmachtansprüche an. Passend dazu hatte Russland gerade erst den Nordpol beansprucht und wie in Zeiten des Kalten Krieges Bomber mit voller Bewaffnung auf die lange Strecke geschickt. Neben dem strategischen Vakuum hat Putin gestern auch noch ein politisches geschaffen. Er entließ Regierungschef Michail Fradkow und schlug den politisch schwachen Finanzexperten Viktor Subkow als Nachfolger vor - eine demonstrative Machtvorführung, die andere nur noch abzunicken haben. Ganz klar: Vor der Parlaments- und Präsidentenwahl im Winter wird das Ministerkabinett auf die Neuverteilung der Gewichte vorbereitet. Das geschieht kreml-typisch durch Schwächung einer dem Präsidenten ohnehin ergebenen Führungsriege. Der solcherart auf einen ziemlich kleinen Schild gehobene Subkow hat viele Jahre mit seiner Behörde für Finanzüberwachung die Geldwäsche bekämpft. Er zählte bislang nur zum erweiterten Kreis der Putin-Vertrauten. Immerhin: Putin und Subkow kennen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit in der Stadtverwaltung von St. Petersburg. Die kreml-nahe Partei »Geeintes Russland« wird Putins Personalvorschlag auf jeden Fall bestätigen. Unklar bleibt, welche Minister mit dem bisherigen Kabinettschef Michail Fradkow sonst noch abserviert werden. Grundsätzlich keine Überraschung ist dagegen die Ernennung eines neuen Regierungschefs vor der Parlamentswahl im Dezember und der Präsidentenwahl im März 2008. Ohne die alte Kreml-Astrologie zu bemühen, waren die Experten allerdings auch sicher, dass der Vize-Regierungschef und frühere Geheimdienstgeneral Sergej Iwanow mit der Führung des Kabinetts betraut würde. Putin habe diese Frage nicht mit ihm erörtert, so beschied der übergangene, womöglich abgemeldete Präsidenten-Vertraute gestern erstaunte Journalisten. Ausgangspunkt aller Spekulationen ist die Verfassung, gemäß der Putin nicht zu einer dritten Amtszeit in Folge antreten darf. Mit einer Änderung zugunsten des 55jährigen »lupenreinen Demokraten« ist jetzt nicht mehr zu rechnen. Dennoch gibt es einen Weg für »Zar« Wladimir. Statt Iwanow könnte der Noch-Präsident eben den 65jährigen Subkow als Statthalter aufbauen. Benötigt wird eine beherrschbare Füllung für vier Jahre politisches Vakuum, in denen Putin dummerweise nicht Präsident sein kann. Danach könnte er mit dem Segen der Verfassung wieder antreten. Seine Popularität dürfte bis zur Neuwahl 2012 reichen.
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