Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) kommentiert zum Grünen-Parteitag
Bielefeld (ots)
Die Führung der Grünen hat eine Niederlage erlitten. Mit dem Beschluss, dass die Bundestagsfraktion im Oktober der Verlängerung der Afghanistan-Mandate im Bundestag nicht zustimmen soll, stellte sich die Mehrheit der Delegierten in Göttingen gegen den gemeinsamen Vorschlag der Spitzen von Partei und Fraktion, den Abgeordneten bei ihrer Entscheidung freie Hand zu lassen. Auch wenn die Grünen-Führung sich bemühte, die Bedeutung dieses Beschlusses zu relativieren, ist eines festzuhalten: Mit dem jetzt von der Parteibasis eingeschlagenen Weg rückt für die Grünen eine Zukunft in Regierungsverantwortung in möglichen Dreier-Kombinationen von Schwarz-Gelb-Grün oder Rot-Gelb-Grün in weite Ferne. Mit einer Partei, die mit ihrem Beschluss in letzter Konsequenz die Menschen in Afghanistan den Taliban ausliefern will, werden weder die Union noch die SPD ernsthaft eine Regierungskooperation suchen. Es wird auch interessant sein, zu sehen, ob die CDU in Hamburg ihren Flirt mit den Grünen, was eine mögliche Koalition nach den Senatswahlen angeht, noch fortsetzen wird. Grünen-Chef Bütikofer beeilte sich gestern, den entstandenen Flurschaden zu begrenzen. Er wolle für die Fortsetzung des bisherigen außenpolitischen Kurses der Grünen kämpfen, betonte er mit Nachdruck. Damit wird er jedoch nicht den Eindruck verwischen können, dass die Verlässlichkeit der Grünen nachhaltig Schaden genommen hat. Offenkundig wurde in Göttingen auch, wie sehr sich die Grünen-Spitze derzeit gegenseitig blockiert. Der mühsam erarbeitete Beschluss-Vorschlag, der eigentlich nichts anderes sagte, als dass man sich nur einig ist, in der Frage der Afghanistan-Mandate nicht einig zu sein, belegt diese Feststellung. Wohin der politische Weg der Grünen führt, wird man spätestens bei der Kür der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 sehen. Was am Samstag in der Grünen-Führung Bestürzung und Ratlosigkeit auslöste, sollte auch den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck nachdenklich stimmen. Denn offenkundig formieren sich in beiden Parteien die linken Flügel. Die Zeit scheint vorbei zu sein, in der Linke und Fundamentalisten Ruhe gaben und sich den Zwängen der Realpolitik beugten. In Göttingen setzte die Basis der Grünen in alter pazifistischer Manier das Nein zum Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch durch. In der SPD wird die Linke um Ottmar Schreiner nicht müde, gegen die Fortsetzung der Schröderschen Agenda-Politik Stimmung gegen die Führungsspitze zu machen. Vor dem Hintergrund der miserablen Umfrageergebnisse für die SPD muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass auch die SPD-Spitze auf dem Bundesparteitag Ende Oktober mehr Druck von der linken Basis erleben wird, als ihr lieb sein kann. Hier spielt auch die Angst vor dem Erstarken der neuen Linkspartei um Lafontaine und Gysi eine Rolle. Wie stark angeschlagen Kurt Beck aus dem Parteitag herausgehen wird, bleibt abzuwarten.
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