Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum ARD-Zweiteiler »Die Frau vom Checkpoint Charlie«
Bielefeld (ots)
»Die Frau vom Checkpoint Charlie« - es heißt, (Leidens-) Geschichten von solcher Tragik und Dramatik schreibe nur das Leben selbst. Und daran ist gewiss viel Wahres. Gerade auch deshalb muss man es der Drehbuchautorin Annette Hess und insbesondere dem Regisseur Miguel Alexandre hoch anrechnen, dass die dreistündige Fernsehverfilmung über das deutsch-deutsche Schicksal der Dresdenerin Jutta Gallus und ihrer damals neun und elf Jahre jungen Töchter Beate und Claudia zu einem Glanzstück von großer Eindringlichkeit geraten ist. Denn wann schon einmal bewegt sich eine Handlung, die noch dazu auf einer enormen Zerreißprobe im jahrzehntelang erbarmungslos durchtrennten Deutschland beruht, so beeindruckend leise und bewusst verhalten und zugleich menschlich so glaubwürdig? In ungezählten anderen Fällen erliegen Regie und Produktion immer wieder der Versuchung, ihre Inszenierungen einschaltquotenträchtig zu gestalten, soll heißen: tränendrüsendrückend, »event«-orientiert oder auf billige Knalleffekte oder dümmlichen Krawall gebürstet. Abschreckende Beispiele dafür gibt es genug. So betrachtet können diejenigen sich glücklich schätzen, die bereits am Freitagabend im Programm von »Arte« das fesselnde Ringen der »Frau vom Check- point Charlie« um die Rückgewinnung ihrer Töchter aus den Fängen der staatsverbrecherischen DDR-Staatsmacht und der Stasi - alias Erich Honecker, Erich Mielke und Konsorten - auf sich wirken ließen. Und das in der kompletten Drei-Stunden-Fassung, die maßgeblich getragen und geprägt wird von einer überzeugenden Veronica Ferres in der Rolle der kämpferisch-mutigen Sara Bender alias Jutta Gallus und ihren famosen Film-Töchtern Silvia (gespielt von Maria Ehrich) und Sabine (Elisa Schlott). Unbedingt zu empfehlen ist zudem die 45-minütige Dokumentation, die (wie zuvor bei Arte) direkt im Anschluss an die Ausstrahlung des zweiten 90-Minuten-Filmteils der »Frau vom Checkpoint Charlie« am heutigen Abend auch in der ARD zu sehen ist. Denn das Schicksal der Jutta Gallus und ihrer Töchter Claudia und Beate müsste (Pflicht-)Bestandteil jedes Geschichtsunterrichts an deutschen Schulen sein, weil es aufräumt mit der Lügenlegende vom »eigentlich zutiefst humanen« Sozialismus, von einer »im Grunde« wundervollen Weltverbesserer-Idee, die zwischenzeitlich leider von gewissen finsteren irdischen Mächten »pervertiert« worden sei. Der Sozialismus ist tot, nur hat noch niemand seine Leiche gesehen - so lautet, nicht ohne Grund und Hintersinn, ein geflügeltes Wort. Derweil sitzt eine Linksaußen-Formation im Deutschen Bundestag und trompetet gänzlich ungeniert: »Freiheit durch Sozialismus!« hinaus ins Land. Und wird dafür auch noch gewählt. Filmreif? Frivol? Oder schlicht blanker Zynismus - und Hohn auf abermillionen geschundene oder hingemordete Opfer? Die Antwort liegt beklemmend nah auf der Hand.
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