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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur SPD

Bielefeld (ots)

Nun wissen wir es. Es ist doch kein
parteiinterner Streit in der SPD, kein Machtkampf zwischen SPD-Chef 
Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering. Hier geht es schlicht 
nur um zwei Pünktchen, die den Unterschied zwischen beiden ausmachen.
Müntefering ist mehr für das Fordern, Beck mehr fürs Fördern. Da wird
man sich doch noch zu einem Kompromiss zusammenraufen, bei dem beide 
Kontrahenten ihr Gesicht wahren können.
Nein, so leicht sollte sich niemand von diesem durchsichtigen Manöver
ablenken lassen. Die jetzt propagierte Suche nach einer 
einvernehmlichen Lösung soll allein dafür sorgen, den immer mehr 
ausufernden Streit in ruhigere Bahnen zu lenken, nun den brodelnden 
Kessel nicht schon vor dem Bundesparteitag Ende des Monats in Hamburg
zum Überlaufen zu bringen.
Die SPD wird in Hamburg nicht um eine Art »High-Noon-Situation« 
herumkommen. Auch wenn Beck und Müntefering noch einen Kompromiss 
finden, von dem sie vorgeben, damit leben zu können: Es wird in der 
Hansestadt einen Verlierer geben. Dafür hat es in den vergangenen 
Tagen zu starke Worte gegeben.
 Münteferings Äußerungen, bei Becks Vorschlag handele es sich 
keinesfalls um eine Weiterentwicklung der Agenda 2010, sondern um 
eine Kehrtwendung, lassen keine Interpretation mehr zu. Es ist nicht 
einmal zehn Monate her, da lehnte Beck eine längere Zahldauer des 
Arbeitslosengeldes I noch vehement ab. Doch, da die Agenda 2010 auf 
einem erfolgreichen Weg ist, schwenkt er plötzlich um. Der 
Arbeitsminister sieht, hier geht es nicht mehr um Differenzen in 
einer Sachfrage, hier geht es um eine Grundsatzfrage. Müntefering, 
der sich seinerzeit sehr schwer mit den Reformen seines damaligen 
Kanzlers Gerhard Schröder getan hat, ist heute von der Agenda 2010 
als der richtigen Politik überzeugt. Da will er aus Überzeugung den 
allzu durchsichtigen Kurswechsels Becks nicht mitmachen.
 Es ist offensichtlich: Der SPD-Chef will die linke Seele in der 
Partei streicheln, um letztlich auch seine Chancen in der Frage der 
Kanzlerkandidatur zu verbessern. Wohl auch ganz bewusst bringt er 
damit die große Koalition in Gefahr, nimmt gar ein Auseinanderbrechen
in Kauf. Letztlich liebäugelt er sogar mit einer Zusammenarbeit mit 
den Linken, auch wenn er noch nicht wagt, dies offen auszusprechen.
Wenn Beck da mal nicht die Rechnung ohne den Wirt macht. Zwar stimmen
84 Prozent dem Beck-Vorschlag zu, doch ihm persönlich hat das wenig 
genutzt. Nur noch 14 Prozent der Wahlbürger wollen laut einer 
Forsa-Umfrage Beck als Kanzler. Sogar 53 Prozent der SPD-Anhänger 
würden bei einer Direkwahl für Angela Merkel stimmen.
Der Bürger mag es eben nicht, wenn eine Partei uneins über ihren 
grundsätzlichen politischen Kurs ist. Die Linke klopft Beck jetzt 
zwar auf die Schulter. Doch dies ist ein hoher Preis: Der SPD-Chef 
setzt die Regierungs- und Zukunftsfähigkeit der Partei aufs Spiel, 
ihren Status als Volkspartei.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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