Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zun den jüngsten Arbeitslosenzahlen
Bielefeld (ots)
Es ist gerade drei Tage her, dass die Delegierten des SPD-Parteitages in Hamburg sich als jene politische Kraft feierten, welche die wahren Antworten für die Zukunft gibt. Dort haben sie sich verlorengegangenes Selbstbewusstsein zurückgeholt und ihren Vorsitzenden Kurt Beck mit geschwellter Brust zurück in sein Rheinland-Pfalz reisen lassen. Die drei Tage von Hamburg waren für die Sozialdemokraten fürwahr Feiertage. Doch schon spätestens gestern ist wieder der Alltag eingezogen. Denn just jetzt hat die Nürnberger Agentur für Arbeit die neuesten Arbeitslosenzahlen bekanntgegeben und damit verdeutlicht, dass die Diskussionen, die die Sozialdemokraten in der Hansestadt angestoßen haben, Diskussionen schon wieder von gestern sind und die falschen Antworten auf Schlüsselfragen der Zukunft geben. Die Zahl der Arbeitslosen erreicht den niedrigsten Stand seit fast 13 Jahren, die Zahl der Erwerbstätigen steigt erstmals über 40 Millionen, und auch das Stellenangebot wächst. Die Arbeitsmarktreformen greifen, immer häufiger werden auch ältere Arbeitnehmer eingesetzt und deren Erfahrung und Motivation von den Arbeitgebern zunehmend wieder geschätzt. Bei den über 55-jährigen sank die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vormonat sogar um fast ein Viertel. Und in dieser Situation prescht Kurt Beck mit seinem längeren Bezug von Arbeitslosengeld vor, obwohl die bisherige Regelung doch gezeigt hat, dass sich Erwerbslose deutlich intensiver um einen neuen Arbeitsplatz bemüht haben als vor der Reform. Becks Vorstoß wird das Gegenteil bewirken. Mit Anreizen, sich mit der Suche nach einer Stelle länger Zeit zu lassen, hat die Politik doch bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht. Das ficht den SPD-Chef aber nicht an. Er wollte den Linksruck, wollte sich und seine Partei für die kommenden Wahlen besser positionieren und gefährdet damit auch die große Koalition. Mit ihren Beschlüssen von Hamburg haben die Sozialdemokraten ohne jeden Zweifel das Ende der Reformen in Deutschland eingeläutet - zumindest bis zur nächsten Bundestagswahl in zwei Jahren. Denn nicht nur beim Arbeitslosengeld, wo nur auf den ersten Blick die Standpunkte eng beieinander liegen, im entscheidenden Detail der Finanzierung es aber gravierende Unterschiede gibt, streiten SPD und Union. Die Bahnprivatisierung steht vor dem Scheitern, die Erbschaftssteuer und der Mindestlohn sorgen für Zündstoff, und auch bei der Änderung der Wehrpflicht, der Aufstockung des Kindergeldes oder der Einführung von Tempo 130 trennen die Koalitionspartner Welten. Beck hat noch einmal betont, er respektiere die Parteitagsbeschlüsse und werde nicht tricksen. Entweder gehe es in der Koalition oder es gehe nicht. Das kann doch nur bedeuten: Sollte die schwarz-rote Koalition wirklich bis 2009 durchhalten, wird in den nächsten zwei Jahren nicht mehr regiert, sondern vor allem Wahlkampf betrieben.
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