Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Arbeitsmarkt
Bielefeld (ots)
Für die deutsche Wirtschaft ist das Jahr 2007 unerwartet stark verlaufen. Auch in Ostwestfalen-Lippe freuen sich viele Unternehmen über prall gefüllte Auftragsbücher und Rekordumsätze. Die eigentliche Überraschung aber kommt vom Arbeitsmarkt. Nie zuvor seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten hat es so viele Erwerbstätige gegeben wie derzeit: 39,7 Millionen Menschen haben einen Job. Innerhalb eines Jahres ging die Zahl der Arbeitslosen um gut 700000 auf 3,4 Millionen zurück. Das zeigt, wieviel Potential in der deutschen Wirtschaft steckt und wie sehr sie es versteht, dank steigender Exportraten von der Globalisierung zu profitieren. Es zeigt aber auch, dass die rot-grünen Arbeitsmarktreformen mit der Agenda 2010 ihre Wirkung nicht verfehlt haben. So könnte es 2008 weitergehen. Geht es so weiter? Die Antwort darauf hängt von vielen Faktoren ab: von der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen; von der Entwicklung der Rohstoffpreise; und natürlich von der Lohnentwicklung. Die Ankündigung von IG-Metall-Chef Berthold Huber, 2008 zum »Mega-Tarifjahr« zu machen, stößt bei Unternehmensverbänden naturgemäß auf Widerstand. Die Forderungen sind in der Tat üppig: Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund wollen acht Prozent mehr Gehalt für die 1,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Den gleichen Prozentsatz fordert auch die IG Metall. Die Chemiebranche ist mit sieben Prozent dabei. Überhöhte Tarifabschlüsse, so warnen die Wirtschaftsexperten, könnten den Aufschwung und damit den Arbeitsmarkt in Gefahr bringen. Das ist sicherlich richtig. Die Frage aber lautet: Wieviel mehr Geld in der Lohntüte verträgt die Wirtschaft? Und auf der anderen Seite: Wieviel mehr Geld sollten die Menschen auf ihrem Girokonto haben, um ihren Lebensunterhalt besser bestreiten zu können und zudem die Binnenachfrage zu beleben? Eines ist gewiss: In den vergangenen Jahren sind die Lohnzuwächse so gering ausgefallen, dass sie gleich wieder von der Inflation aufgezehrt wurden. Angesichts der gestiegenen Preise bei Heizöl, Strom, Benzin und Lebensmitteln haben viele Bürger real sogar weniger Geld zur Verfügung. Betroffen sind vor allem Geringverdiener, Rentner, Alleinerziehende mit Kindern. An ihnen ist der Aufschwung vorbei gegangen. Sie können sich nicht wie viele Spitzenmanager über zweistellige Gehaltserhöhungen freuen oder wie so viele Anleger über Kurszuwächse von gut 20 Prozent allein im vergangenen Jahr. Wer Arbeit hat, kann sich glücklich schätzen. Dass das Einkommen vieler Menschen aber oftmals gerade zur Deckung der Grundbedürfnisse reicht, muss bedenklich stimmen. Die Wirtschaft kann eine kräftige Lohnerhöhung, die über der Inflationsrate von 2,1 Prozent liegt, vertragen. Hätten die »Ärmeren« in unserer Gesellschaft etwas mehr Geld, würde das auch den Konsum beflügeln, die Firmen würden investieren und es würden neue Arbeitsplätze entstehen.
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