Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (BIELEFELD) zu den Landtagswahlkämpfen in Hessen und Niedersachsen
Bielefeld (ots)
Politisch braucht das noch junge Jahr 2008 keine Anlaufzeit. In drei Wochen werden in Niedersachsen und Hessen neue Landesparlamente gewählt. Während in Niedersachsen derzeit alles dafür spricht, dass CDU-Ministerpräsident Christian Wulff im Amt bestätigt wird, lassen die Umfragen in Hessen ein knappes Ergebnis erwarten. Herausforderin Andrea Ypsilanti (SPD) ist überraschend stark, es wird eng für Amtsinhaber Roland Koch (CDU). Entsprechend heiß ist der Wahlkampf. »Mindestlohn« (Ypsilanti) und »härtere Strafen für kriminelle Jugendliche« (Koch) heißen die in Stellung gebrachten Sturmgeschütze des Populismus'. Keine Frage, beide Themen sind ernstzunehmen, weil sie die Gefühle vieler Menschen berühren. Da ist zum einen die Sorge, von der eigenen Hände Arbeit nicht menschenwürdig leben zu können. Zugleich wächst die Angst vor zunehmender Gewalt auf der Straße, der jeder von uns jeden Tag zum Opfer fallen kann. Die Tücke nur: Lösungen sind für beide Probleme nicht leicht zu finden, und einfache Lösungen schon gar nicht. Darum aber geht es auch nicht. Es geht um Stimmungen, die sich an der Wahlurne in Stimmen verwandeln sollen. Roland Koch zumindest weiß, wie das gemacht wird: Eine hoch emotional geführte Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft hat ihn 1999 ins Amt gebracht. Am Ende haben die Wähler zu entscheiden, ob eine und wenn ja, welche der beiden Wahlkampfstrategien aufgeht. »Jedes Volk hat die Politiker, die es verdient«, heißt es nicht ohne Grund. Das sollte bedenken, wer die Unaufrichtigkeit der politischen Klasse vorschnell geißelt. Für beide große Parteien steht in Hessen und Niedersachsen viel auf dem Spiel - das Echo wird man auch in Berlin hören. Der Reflex, wonach in den Ländern die Partei profitiert, die im Bund in der Opposition ist, greift in Zeiten der großen Koalition eben nicht. Kurt Becks SPD braucht dringend einen messbaren (Wahl-)Erfolg, um aus dem Stimmungstief zu kommen. Mehr noch zu verlieren hat die CDU. Sie regiert in beiden Ländern, Koch und Wulff sind politische Schwergewichte in der Union. Die Bürde der guten Vorergebnisse aus dem Jahr 2003 tun ihr Übriges: Satte 48,8 Prozent in Hessen und 48,3 Prozent in Niedersachsen werden nicht zu toppen sein. Vor allem aber: Eine Abwahl Kochs würde der positiven Stimmung der Truppen um Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel einen herben Dämpfer versetzen. Ironie des Parteiensystems, dass Kochs stärkster Verbündeter derzeit am anderen Ende des politischen Spektrums zu finden ist. Nimmt »Die Linke« der SPD genug Stimmen ab, könnte die CDU selbst bei größeren eigenen Verlusten weiter in der Regierungsverantwortung bleiben und den Ministerpräsidenten stellen. Zumindest, wenn Andrea Ypsilanti auch am Wahlabend bei ihrer Ankündigung bleibt, nicht mit der Linken zu koalieren. Das aber wäre dann wieder eine Frage der politischen Moral.
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