Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum Thema Mager-Models:
Bielefeld (ots)
Wer in die Internet-Suchmaschine Google die Wörter »Watte« und »Model« eintippt, landet 41 800 Treffer. Auf diesen Seiten wird diskutiert, ob Models wirklich mit Orangensaft getränkte Watte schlucken, um ihr Hungergefühl zu bekämpfen. Lisa schreibt in einem Internet-Gesundheitsforum, sie sei 15 Jahre und müsse dringend zwei bis drei Kilo abnehmen. Ihre Frage an die Ärztin: »Kann es schaden, wenn ich zwei Wochen nur Watte esse? Danach höre ich bestimmt wieder auf!« 15 Monate nach dem Tod des brasilianischen Armani-Models Ana Carolina Reston (1,74 Meter, 40 Kilo) hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gestern auf der Igedo Fashion Fairs in Düsseldorf einen Pakt mit Modemachern geschlossen. Gemeinsam werde man einen Aktionsplan gegen Schlankheitswahn und Magermodels erarbeiten, verkündete die Ministerin. Wenn es der internationalen Modebrache wirklich erst ist, dem Schlankheitswahn abzuschwören, braucht sie keinen Aktionsplan. Sie braucht nur solche Frauen zu buchen, die auch wie welche aussehen. Kein Model steht darauf, sich ausschließlich von Wasser, Tomaten und Äpfeln zu ernähren, bis alle Rippen zu sehen sind. Oder sich backstage alle Nase lang beim Umziehen eine Erkältung einzufangen, weil die Immunabwehr auf Null steht. Erst die Nachfrage der Modebranche hat dieses weltweite Angebot der kranken Mega-Mager-Models geschaffen. Und warum? Keine Ahnung! Die Verkaufsstrategie mancher Modefirmen ist für Außenstehende nicht nachzuvollziehen. Kauft eine Mitteleuropäerin tatsächlich eher eine festliches Abendkleid, wenn es im Katalog von einer dunkelhäutigen Brasilianerin präsentiert wird? Bestellt eine Frau ein Top, weil das Model so dünn aussieht, als erlebe es den Abend nicht mehr? Die sonst von der Werbung gewünschte Identifikation des Kunden mit dem Produkt über dessen prominenten oder attraktiven Besitzer - im Fall der Mega-Mager-Models Fehlanzeige! Zur Ehrenrettung der deutschen Modemacher sei angemerkt, dass bei ihnen bereits vor einiger Zeit das Umdenken begonnen hat. Und es der Initiative der Bundesgesundheitsministerin eigentlich nicht mehr bedarf. Superdünne Frauen - sie laufen meist nur noch für ausländische Labels über den Catwalk. Wer gesehen hat, mit welchen Models Gerhard Weber am Wochenende auf der Idedo in Düsseldorf seine Taifun-Kollektion präsentiert hat, weiß, dass die Branche in Deutschland auf dem richtigen Weg ist. 40 und 42 - das sind nach Angaben des Modeindustrieverbandes German Fashion die meistverkauften Größen in Deutschland. Kein Grund also, auf dem Laufsteg die Größen 36 oder 38 zu unterschreiten. Doch auch wenn die Branche jetzt gegensteuert, wird es noch lange dauern, bis der Mager-Wahn gestoppt ist. Noch leben in Deutschland 600 000 Frauen zwischen 15 und 35 Jahren, für die schlank nicht dünn genug ist. Das hat viel mit Krankheit zu tun. Und gar nichts mit Schönheit.
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