Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zur Hessen-SPD:
Bielefeld (ots)
»Es wird vielleicht so ausgehen, dass ich ein Wahlversprechen nicht halten kann«: Dieser Satz von gestern wird Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti ein Leben lang anhängen. Es gibt Sprüche, die wird man nie wieder los - genau wie Holgers Börners Drohung mit der Dachlatte in Richtung Grüne oder auch jene Lüge Walter Ulbrichts mit den kurzen Beinen und einer bitterlangen Geschichte: »Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen.« Der 27. Januar, als die SPD in Hessen mit ihrem zweitschlechtesten Wahlergebnis knapp zweiter Sieger wurde, war noch ein Tag der Machtverweigerung. Die Partei dürfe »nicht am Tropf dieser Linksgruppierung« hängen, sagte Kurt Beck und Frau Ypsilanti erklärte zum soundsovielten Mal, sich nicht mit Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Der 5. März geht fortan in die Landesgeschichte als der Tag ein, an dem Wählerbetrug angekündigt wurde. Mit ihrer nicht länger geleugneten Bereitschaft, sich von der Linkspartei am 5. April zur Ministerpräsidentin machen zu lassen, fügt Ypsilanti dem gesamten politischen System schweren Schaden zu. Politik sei ein schmutziges Geschäft, erklärte eine Mehrheit der Deutschen 1946 im kriegszerstörten Deutschland. Sollte es demnächst wieder zu ähnlich hohen Misstrauenswerten kommen, dann wird die Wählertäuschung à la Ypsilanti und Beck ein gerüttelt Maß an Mitschuld tragen. Juristisch lässt sich die Landtagswahl der falschen Versprechen nicht anfechten. In Kategorien von Moral und politischer Kultur ist sie dagegen ungültig. Frau Ypsilanti kann noch so oft behaupten, die Wähler wollten Roland Koch »weg haben«. Wo ist ihre eigene Mehrheit, mit der Sie ganz ohne schmutzige Tricks regieren kann? Ganz klar, es geht um die SPD und deren Glaubwürdigkeit. Wie viele Kommunisten und Freiheitsfeinde, die Herbert Wehner einst »rotlackierte Faschisten« nannte, sich hinter Oskar Lafontaine und Gregor Gysi verstecken, ist zur Stunde unerheblich. Die Sozialdemokraten selbst wissen um jene, die ganz linksaußen die große Idee der sozialen Gerechtigkeit für neuen Totalitarismus missbrauchen wollen. Auch ist den Genossen bewusst, vor welche innere Zerreißprobe sie sich nunmehr selbst gestellt sehen. Es geht um die deutsche Sozialdemokratie, deren Aufrichtigkeit und Parteiethos. Schon gibt Die Linke zu erkenne, wie hoch der Preis für deren sechs Stimmen am 5. April ist. Man wolle grundsätzlich Opposition bleiben, hieß es gestern, zugleich aber die rot-grüne Ministerliste vorgelegt bekommen und Inhalte der Politik mitbestimmen. Auch die neun Stimmen der Grünen sind wegen des Verzichts auf Kern- und Kohlekraft gewiss. Größter Unsicherheitsfaktor wird die eigene Landtagsfraktion sein. Schon bei zwei Enthaltungen in der konstituierenden Landtagssitzung müsste Ypsilanti ihre Parteifreundin Heide Simonis - vor dem dritten Wahlgang im Kieler Landtag - zitieren: »Und wo bleibe ich?«
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