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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Kinderbuch »Wo bitte geht's zu Gott?«

Bielefeld (ots)

Ob der Mensch aus der Geschichte lernt, ist,
gelinde gesagt, fraglich. Wir Deutschen treten natürlich gerne an, 
der Welt das Gegenteil zu beweisen, und manchmal klappt's, ein 
andermal geht der Schuss nach hinten los. Im Fall des Kinderbuchs »Wo
bitte geht's zu Gott?, fragte das kleine Ferkel« kombinieren wir 
beides.
Im Rechtsstaat verbietet man, erstens, kein Buch, wie problematisch 
sein Inhalt immer sein mag - und das hat ja auch im vorliegenden Fall
niemand gefordert. Glückwunsch. Zweitens aber wurde gleich nach 
Erscheinen der moralische Overkill eingeleitet: Antisemitismus!, 
schrieen sie, und seither staunen sie, dass sich die Argumente der 
Streithähne stracks im intellektuellen Nirwana verlieren.
Im Antrag des Bundesfamilienministeriums auf Indizierung werden - 
anstandshalber - alle drei Weltreligionen als Opfer der Häme erwähnt,
jedoch zitiert das Ministerium ausschließlich die Angriffe auf das 
Judentum, um schließlich die finale Breitseite abzufeuern: 
»Rassenhass«, bumm! Und »antisemitische Tendenzen«, krawumm! Im 
Internet haben sich bereits die gegnerischen Bataillone formiert, und
auch hier sind stramme Kanoniere am Werk: Der Eifer, mit dem die 
Kirche ihr »Monopol im Kinderzimmer« (?) verteidige, erinnere ihn an 
die Verfolgung der Ketzer, geifert Michael Schmidt-Salomon, der 
Texter des Ferkelbuchs. Ein anderer schmäht Ursula von der Leyen als 
»christliche Fundamentalistin«, ein Hamburger Kinder- und 
Jugendpsychiater greift zum Rezeptblock und verschreibt das Buch als 
»pädagogisch besonders wertvolles Gegengift zu religiöser 
Indoktrinierung«.
Wer jedoch die Chance hat, einen Blick in das Ferkelbuch zu werfen, 
wird, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, erstaunt feststellen, 
wie ärmlich Text und Bilder geraten sind. Außer zähnefletschenden 
Bischöfen, Rabbis und Muftis, außer protoaufklärerischer 
Sperrholz-Grammatik nämlich ist dem Duo Schmidt-Salomon und Helge 
Nyncke (Zeichner) nichts eingefallen. Aus »ästhetischen Gründen« 
nicht ins Kinderzimmer lassen, empfahl die »Süddeutsche Zeitung« 
süffisant, und dieser Meinung darf man sich ruhigen Gewissens 
anschließen.
Nun ist der aktuelle Fall ja nicht einfach so vom Himmel gefallen. 
Seit den 70er Jahren bereits grassiert die Pest, die Pest des 
belehrenden Kinderbuchs. Als einer der ganz frühen Kinderaufklärer 
brachte sich damals der TV-Talker Dietmar Schönherr in Stellung und 
wollte den Kleinen weismachen, die bösen Fabrikanten hätten es 
verboten, auf dem Rasen zu spielen, weil sie ungestört Profit machen 
wollten. Seither ist die kindliche Bücherwelt von Kreaturen 
bevölkert, die entweder doof oder gemeingefährlich sind.
Nur die Kinder selbst sind nicht doof. Wenn ihre Eltern sie lassen, 
greifen sie ganz von allein zu moralfreien Klassikern wie »Pu der 
Bär« und dem »Räuber Hotzenplotz«. Dessen Pfefferpistole ist auch 
schon das Gefährlichste, was man sich in jungen Jahren ausmalen 
möchte.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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