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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Demokratieverständnis

Bielefeld (ots)

Demokratie heißt auch, dass man Meinungen
ertragen muss, die man nicht teilt.
 Eine Binsenweisheit, sagen Sie? Die Nachrichten der vergangenen Tage
geben eher Anlass zu der Befürchtung, dass breite Schichten, auch in 
der Politik, nicht bereit sind, weitgehend umstrittene Ansichten 
zuzulassen.
Da ist zum einen der Aufschrei vieler, die der SPD-Kandidatin Gesine 
Schwan vorwerfen, sie wolle sich 2009 auch mit Hilfe der Partei Die 
Linke zur Bundespräsidentin wählen lassen. Auf den ersten Blick 
scheint die Kritik berechtigt. Eine Partei, aus der heraus kürzlich 
die Forderung nach der Wiedereinrichtung der Staatssicherheit laut 
geworden ist und an deren Fraktionsspitze mit Gregor Gysi ein 
Rechtsanwalt steht, der zu DDR-Zeiten möglicherweise Regimekritiker 
verraten hat - eine solche Partei liefert selbst genügend Gründe, 
argwöhnisch beobachtet zu werden. Man muss sie ja auch nicht wählen -
aber man darf. Genau das macht ja die Demokratie aus.
Bundespräsident Horst Köhler hat zu seinem Amtsantritt gesagt, er sei
der Präsident aller Deutschen. Das würde natürlich auch für Gesine 
Schwan gelten. Ihr vorzuwerfen, Stimmen aus der Bundesversammlung zu 
nutzen, die aus dem Lager der extremen Linken kommen, ist deshalb 
undemokratisch.
Gleiches gilt, mit anderem politischen Vorzeichen, für einen Vorgang,
der in dieser Woche in Ostwestfalen-Lippe bekanntgeworden ist. Da hat
das Paderborner Technologie- und Berufsbildungszentrum (TBZ), eine 
Weiterbildungseinrichtung, den Dozenten Thomas Borgartz beurlaubt, 
weil er in der vergangenen Woche zum Bezirksvorsitzenden der 
»Bürgerbewegung pro NRW« gewählt worden ist - einer Gruppierung, die 
bei der Kommunalwahl 2009 mit eigenen Listen in NRW antreten will und
die ihre Wähler nach eigenen Angaben rechts von der CDU suchen will. 
Dabei hat Borgartz als Dozent beim TBZ nach Angaben der 
Weiterbildungseinrichtung »niemanden indoktriniert«.
 Ihn trotzdem kaltzustellen, erinnert an die Gesinnungsschnüffelei 
der DDR und die dort üblichen Berufsverbote. Der Mann mag ja eine 
extreme Meinung vertreten, aber darf er deshalb wie ein Straftäter 
behandelt werden? Man muss ja »Pro Nordrhein-Westfalen« nicht wählen 
- aber man darf.
Kritiker erreichen bei den Anhängern der extremen Linken und der 
extremen Rechten nur das Gegenteil von dem, was sie wollen, wenn sie 
mit Schaum vor dem Mund die Gutmensch-Keule schwingen und blind 
zuschlagen. Das nährt nur den Widerstand, das treibt die 
Protestwähler an die Urnen.
 Die oft realitätsfernen Parteiprogramme der Extremen bieten genügend
Ansatzpunkte, diese Gruppen inhaltlich anzugreifen und zu 
demontieren. Schließlich darf in der Demokratie jeder versuchen, den 
anderen von seiner Meinung zu überzeugen. Eine Garantie, dass das 
klappt, gibt es aber nicht. Zum Glück!

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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