Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum G8-Gipfel:
Bielefeld (ots)
Gipfelstürmer gehen nicht in Tippelschritten. Sie formulieren große Ziele - allerdings so langfristig, dass keiner der Teilnehmer am Ende für die Einhaltung verantwortlich gemacht werden kann. Das bestklingende Ziel, auf das sich die Teilnehmer des G 8-Gipfels im japanischen Toyako verpflichtet haben, ist die Halbierung der Treibhausgase bis 2050. Wie ernst die Abmachung jedoch zu nehmen ist, zeigt sich daran, dass noch nicht einmal ein Basisjahr, von dem aus die Belastung um 50 Prozent vermindert werden soll, benannt wurde. Klar ist: Die Gruppe der G 8 hat ihren Gipfel überschritten. Die Konferenz in Heiligendamm im vergangenen Jahr markierte - nicht zuletzt dank des Einsatzes der deutschen Bundeskanzlerin - noch einmal einen Höhepunkt. Nun aber wird die Zukunft anderen Gremien gehören als einer Konferenz, in der zwar Kanada und Italien, nicht aber Indien, China, Südafrika, Mexiko und Brasilien Mitglieder sind. Schon die Hinzunahme Russlands zur ursprünglichen Gruppe der G 6 (erstmals 1975) bzw. der G 7 (seit 1976 mit Kanada) hat mit dem vorherigen System gebrochen. Konferierten bis dahin die führenden Industriestaaten und Demokratien unter sich, so stieß 1998 mit Moskau eine Macht hinzu, die in Sachen Demokratie unter anderem hinter Indien und Brasilien und in der wirtschaftlichen Entwicklung weit hinter China herhinkt. Wenn nun dem G 8-Gipfel der Sauerstoff ausgeht, dann liegt das auch daran, dass Toyako - wie viele Konferenzen vorher - zuviel warme Luft und kaum konkrete Ergebnisse hervorgebracht hat. Zugegeben, das liegt zu einem großen Teil an den USA und ihrem Präsidenten George W. Bush. Wenn die Supermacht ihren Motor anwirft, so wie in Sachen Terrorismus-Bekämpfung geschehen, dann lässt sie sich auch durch eine Konferenz von keinem Krieg abhalten. Umgekehrt raubt eine lahme Ente auf dem US-Präsidentenstuhl in Washington einer guten Klima-Initiative jede Schubkraft. Denn warum sollten sich die Inder und Chinesen auf konkrete Maßnahmen verpflichten, wenn die reichen Amerikaner alles nur im Unverbindlichen belassen? Allerdings wächst das Bewusstsein, dass das Weltklima sich bedrohlich verändert, in den USA gerade so rasant, dass es Bushs Nachfolger leicht fallen wird, den Kurs zu verändern. Die hohen Energiepreise wirken noch als Beschleuniger. Ein anderes Gipfelziel, das von den UN zur Jahrtausendwende proklamiert wurde, rückt dagegen in weitere Ferne. Dabei würde nichts mehr den Frieden sichern und dem Terrorismus entgegenwirken als die bis 2015 versprochene Halbierung der Armut. Hier klaffen die größten Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Ankündigung und Realisierung. Freilich sind Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung so große Aufgaben, dass sie nicht während eines Gipfelsturms zu bewältigen sind. Dafür braucht es kleine Expertengespräche, den erklärten Willen der Verantwortlichen und viel Geld.
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