Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Obama und seinem angekündigten Berlin-Besuch
Bielefeld (ots)
Wo Barack Obama auftritt, ist Wahlkampf. Auf den ersten Blick überrascht das nicht, schickt sich doch der US-Demokrat an, seinen republikanischen Kontrahenten John McCain am 4. November zu schlagen und erster schwarzer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Sehr wohl überraschend hat der charismatische Kandidat den Wahlkampf nach Deutschland getragen. So ist ein Streit entbrannt, ob Obama seine für nächsten Donnerstag geplante Rede am Brandenburger Tor halten darf oder nicht. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein »gewisses Befremden« ausrichten ließ, zeigte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der nur noch nicht offizielle SPD-Kanzlerkandidat, begeistert und sagte, Obama sei »hochwillkommen«, gerade auch am Brandenburger Tor. Nur am Rande erwähnen muss man in diesem Zusammenhang, dass weder Merkel noch Steinmeier über die Sache zu befinden haben. Hausherr am Brandenburger Tor ist nämlich Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Seine Behörde allein entscheidet, und nach allem, was sich vernehmen lässt, ist Wowereit - wen wundert's? - eher auf Seiten Steinmeiers. Natürlich hoffen die deutschen Sozialdemokraten, vom Glanz des US-Demokraten Obama zu profitieren. Was soll eigentlich so schlimm an einer solchen Rede sein, mag mancher fragen. Schließlich muss das Brandenburger Tor - sicher Deutschlands symbolträchtigster Ort - doch andauernd als Kulisse für mehr oder weniger sinnvolle Veranstaltungen herhalten. Hier schießen doch auch Schweinsteiger und Podolski blau-gelbe Postbank-Fußbälle ins Fanvolk. Zudem sei es allemal besser, wenn Obama Europa von Berlin und eben nicht von London oder Paris aus zu erreichen versuche. Beide Argumente sind richtig, spiegeln aber nicht die ganze Wahrheit wider. Denn noch ist Obama Kandidat und nicht Präsident. Deshalb will der 46-Jährige, der wie kein zweiter Politiker die Herzen erreicht, aber dennoch stets mit kühlem Kopf kalkuliert, die Symbolkraft der Ortes für sich nutzen. Er will an US-Präsident John F. Kennedy anknüpfen, der den Deutschen am 26. Juni 1963 (wenn auch vor dem Schöneberger Rathaus) zurief: »Ich bin ein Berliner.« Und er will an Ronald Reagan anknüpfen. Die Gefahr, dass sich seine Gastgeber samt Kanzlerin vereinnahmt oder gar zu Wahlkampfzwecken missbraucht fühlen könnten, hat Obama offenbar unterschätzt. Vielleicht hat er sie nicht einmal gesehen. Fingerspitzengefühl und diplomatisches Geschick sehen anders aus. Wie immer die für Ende dieser Woche angekündigte Entscheidung über den Redeort ausfallen mag - wir sollten in jedem Fall hören, was Barack Obama zu sagen hat. Sicher wird er gerade uns Deutschen mehr Verantwortung für die Krisenherde dieser Welt abverlangen. Und so wird der eine oder andere hinterher weit weniger verklärt auf den vermeintlichen Heilsbringer aus Amerika blicken - egal, ob der nun am Brandenburger Tor oder andernorts gesprochen hat.
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