Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Bertelsmann
Bielefeld (ots)
Abschied ist ein scharfes Schwert. Das wissen nicht nur die Fans von Alt-Schlagersänger Roger Whittaker, das weiß natürlich auch Bertelsmann. Deshalb haben die Gütersloher gestern viel Energie darauf verwandt, den Verkauf ihrer Anteile an Sony BMG nicht als Abschiedsmelodie zu vermarkten. Vergebens: Der Rückbehalt einiger Songrechte mag noch den einen oder anderen Euro in die Kasse spülen. Am Ende ist er jedoch nicht mehr als ein winziger Schatten dessen, was mit Dalidas Hit »Am Tag als der Regen kam« in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts seinen Anfang genommen hat. Dieser Abschied ist ein scharfes Schwert, denn Musik gehörte Jahrzehnte lang zu den Kerngeschäften des Medienkonzerns. Mit dem Aufbau von Ariola und anderen Labels bis hin zu BMG hatte Bertelsmann teil an dem Erfolg der Vinyl-Schallplatte. Deren Ablösung durch die silberne CD-Scheibe hat diesen Triumphgesang noch nicht beendet. Dies ist das »Verdienst« des Internets: Trotz Unterstützung durch die eigenen Fernsehsender hat es Bertelsmann nicht verstanden, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, mit dem Musik auch in den Zeiten billiger Downloads und preisgünstiger Kopien noch mit Gewinn vermarktet werden kann. Der von Thomas Middelhoff gestartete Einstieg bei der Musiktauschbörse Napster war nicht mehr als ein halbherziger Versuch, der Bertelsmann zudem viele Millionen gekostet hat. Der Unternehmer Reinhard Mohn war erfolgreich, weil er viel unternommen, nicht weil er abgewartet hat. Deshalb wird er den Abschied vom Musikgeschäft ebenso verstehen wie die schrittweise Trennung vom (Buch-) Clubgeschäft. Beide fußen auf seinen Ideen. Beide haben Bertelsmann viel Geld gebracht. Doch wie sich die Zeiten ändern, müssen sich auch die Unternehmen wandeln. Ein Abschied zum richtigen Zeitpunkt verursacht Schmerzen. Doch die Wunden, die ein langer Abschied hinterlässt, gehen meistens tiefer; letztlich können sie ein Unternehmen in den Ruin führen. Es ist also richtig: Ein Konzern schrumpft sich gesund. Aber Schrumpfung allein ist noch kein tragfähiges Zukunftsmodell. Der Zauber, so dichtete Hermann Hesse, wohnt dem Anfang inne. Und hier ist Hartmut Ostrowski, seit Jahresbeginn Konzernchef in Gütersloh, nun wirklich gefordert. Das neue Geschäftsmodell, von dem man bisher nur weiß, dass Bildung und Dienstleistungen ein stärkeres Gewicht haben werden, muss bald Konturen annehmen. Ansonsten geht Vertrauen verloren. Das Kapital für neue Engagements ist ja nun vorhanden. Und wir? Musik wird es weiter geben. Vielleicht haben es deutsche Schlagersänger künftig etwas schwerer, stehen sich doch nicht so im Fokus der verbliebenen großen Vier: Universal, Warner, EMI und Sony. Dafür ist die Verbindung von Hardware (Elektronikgeräte) und Software (Musik), auf die nun Sony setzt, vielleicht ein tragfähiges Geschäftsmodell.
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