Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
Die Entwicklung ist also positiv: In Deutschland werden wieder mehr Kinder geboren - und in Deutschland gehen weniger Ehen in die Brüche. Zwei Feststellungen, die das Statistische Bundesamt in diesen Tagen zur allgemeinen Erbauung ins Land hinaustragen konnte. Wobei das eine nichts mit dem anderen zu tun hat - obwohl man früher davon ausging, dass Ehe und Kinderkriegen sich irgendwie bedingen. Doch das Gegenteil scheint inzwischen richtiger. Denn 5000 Babys wurden in den ersten acht Monaten dieses Jahres mehr geboren als im Vergleichszeitraum 2007 - obwohl immer weniger Ehen geschlossen werden. Um beachtliche 20 Prozent ging diese Zahl nach Angaben der Wiesbadener Statistiker seit 1993 zurück. Und unter exakt dieser Prämisse muss denn auch die gute Nachricht vom Rückgang der Scheidungen dahingehend relativiert werden, dass es immer weniger zu scheiden gibt, weil einfach immer weniger Paare den Weg zum Standesamt oder vor den Traualtar gefunden haben. Auch dass die durchschnittliche Dauer der letztendlich doch noch geschiedenen Ehen steigende Tendenz zeigt, muss nicht gerade bejubelt werden. Sie ist einfach Ausdruck dafür, dass es inzwischen weniger Paare im verflixten siebten Jahr, noch jung und knackig, auseinanderreibt, sondern dass vor allem die Zahl derer steigt, die zwischen Silber- und Goldener Hochzeit zu dem Punkt kommen, wo sie nicht mehr mit dem oder der Anderen das Kissen teilen möchten. Dieser Teil der Statistik macht auch verständlich, warum weniger Scheidungskinder - die Zahl ist seit 2003 rückläufig, allein 2006 um 2,5 Prozent - vom GAU der elterlichen Beziehung betroffen sind: Scheidungskinder sind per Definition minderjährig. Wer nach 28 Jahren auseinander geht, dessen Kinder sind Erwachsene. Gehen wir bei all diesem Zahlenmaterial von der Tatsache aus, dass Mann und Frau von einem gewissen Alter an eigentlich recht gern zusammenleben, ja zeitweise geradezu wild darauf sind, führt die Zahl der rückläufigen Eheschließungen wie die der rückläufigen Scheidungen zu folgendem Schluss: Die Ehe hat vor allem in ihrer sogenannten wilden Variante Konjunktur. Hatte es selbst in den 1970ern vielleicht noch eine gewisse Ungehörigkeit, unverheiratet Tisch und Bett zu teilen, so ist diese Lebensform heute so gewöhnlich wie die mit Trauschein. Und wie sieht es da mit der Trennungsrate aus? Der Bundesbürger fällt ins statistische Loch - Zahlen darüber gibt's nicht. Wohl aber schon Handlungsbedarf bei Gericht. So regelte jüngst gar das oberste, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dass auch bei der Trennung solcher Lebensgemeinschaften ein finanzieller Ausgleich stattfinden muss, wenn die Ex-Partner der »Nichtehe« unterschiedlich stark in gemeinsame Projekte, etwa ein Haus, investiert hatten. Jenseits der Aspekte Ehefreudigkeit und Ehehaltbarkeit ist gleichwohl festzuhalten: Ursula von der Leyens Kampf für mehr Kinder scheint zu greifen - in welcher Form der Familie auch immer. Und das ist auch gut so.
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