Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum Streit zwischen VW und Porsche:
Bielefeld (ots)
Eines ist sicher: Die Verschmelzung von Porsche und VW ist nicht mehr aufzuhalten. Im November wird der kleine, aber doch so erfolgreiche Sportwagenhersteller aus Stuttgart seine Anteile am großen VW-Konzern auf mehr als 50 Prozent erhöht haben. Doch bereits mit der kürzlich vollzogenen Aufstockung von 30 auf 35 Prozent war der Produktionsriese VW zur Tochter des Gewinn-Goliaths Porsche geworden. Von dieser Verbindung aber werden beide Seiten und damit auch die Beschäftigten profitieren. Wer in wenigen Monaten indessen an den entscheidenden Schalthebeln der Porsche Holding sitzen wird, das ist ungewiss: Das Gerangel um die Macht tobt. Es geht um die Macht in der Holding und damit um die Macht bei VW, Europas größtem Autobauer. Aber auch um die Macht auf der politischen Bühne. In Niedersachsen und auf Bundesebene. Noch vor wenigen Wochen gab es keine Zweifel, dass Wendelin Wiedeking auf Dauer Chef der Porsche SE sein würde. Der gebürtige Westfale schreibt mit dem Sportwagenhersteller eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, verzückt Aktionäre Jahr für Jahr mit neuen Rekordgewinnen. Verbindungen in den Bereichen Technik und Produktion waren es vor allem, die Wiedeking den großen Übernahme-Coup planen ließen. Mit Zustimmung von Ferdinand Piëch, derzeit VW-Aufsichtsratsvorsitzender und finanzieller Nutznießer des Porsche-Erfolgs. Doch inzwischen hat der Porsche-Chef das Wohlwollen Piëchs verloren. Möglich, dass der Grund dafür die leise Kritik an der Modellpolitik der Wolfsburger in den vergangenen Jahren - Stichwort Phaeton - war. Möglich, dass Wiedekings harscher Ton bei den Übernahme-Kommentaren Piëchs Unmut ausgelöst hat. Der bisherige Höhepunkt im Zweikampf der beiden Leitwölfe war der Eklat in der VW-Aufsichtsratssitzung, als Piëch mit einer Stimmenthaltung für eine Abstimmungsniederlage aller Anteilseigner sorgte. Die hatten sich zuvor eindeutig auf die Seite Wiedekings geschlagen. Sogar die Forderung nach Piëchs Ablösung als Chef des Aufsichtsrates stand danach im Raum. Doch Piëch ist ein cleverer Taktiker. Er weiß, dass dies nur mit den Stimmen des Landes Niedersachsen möglich ist. Und dort wird es Ministerpräsident Wulff kaum wagen, sich gegen VW und damit 90 000 Beschäftigte (plus 60 000 bei Zulieferern) zu stellen, die sich von Porsche übervorteilt fühlen. 2009 stehen Bundestagswahlen. Angesichts dieses Termins ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Betriebsversammlung für den Erhalt des von Porsche so gern gekippt gesehenen VW-Gesetzes aussprach. Wohl wissend, dass letztlich der EU-Gerichtshof die Entscheidung fällt. Kann sich Wiedeking auf den Rückhalt des Porsche-Clans verlassen? Oder wird Ferdinand Piëch wieder das letzte Wort haben? Was der Patriarch von Niederlagen hält, zeigt sein Ausspruch in einem Interview vor wenigen Wochen: »Ich bin nicht gern Zweiter.«
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