Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zu den Gemeinsamkeiten von Fußball und Wirtschaft:
Bielefeld (ots)
Eine Dorfmannschaft stürmt an die Spitze der Fußball-Bundesliga. Die Fans beobachten den sensationellen Höhenflug der TSG Hoffenheim teils begeistert, teils aber auch mit jener Arroganz, die Etablierte gern allen Emporkömmlingen entgegenbringen. Nur die Wirtschaft, von anderen wichtigen Themen wie der Finanz- und Bankenkrise abgelenkt, zeigt an den Fußballern aus der nordbadischen Provinz herzlich wenig Interesse. Dabei könnte gerade die Wirtschaft von den Hoffenheimer Himmelsstürmern einiges lernen. Anfangs sah sich die Elf von SAP-Gründer Dietmar Hopp und Trainer Ralf Rangnick in einer Weise Anfeindungen ausgesetzt, die man sonst nur von Bayern-Hassern kennt. Hauptziel der unfairen Angriffe aus dem Abseits war Hopp, Hoffenheims großer Sponsor. Doch wo, bitteschön, ist heute ohne »Moos« noch etwas los? Das klappt im Profi-Fußball ebensowenig wie anderswo in der Wirtschaft. Gemessen am Transferwert seiner Spieler rangiert Hoffenheim in der Bundesliga auf Platz 15; nur Bielefeld und zwei weitere Teams wurden zu Saisonbeginn noch tiefer eingestuft. 28 Millionen Euro hat Hoffenheim in zwei Jahren für neue Spieler ausgeben. Das ist viel. Aber schon der VfL Wolfsburg toppt die Summe leicht mit 30 Millionen - in einem Jahr. Was, wenn nicht das Geld, macht Hoffenheim dann erfolgreich? Das Torkonto gibt die Antwort. 31 mal trafen Ibisevic, Ba, Obasi & Co. - soviel wie in den elf Spielen bisher kein anderes Bundesliga-Team. Hoffenheim spielt offensiv, egal wie der Gegner heißt. Kein Quer, kein Zurück: So gewinnt man Fans. Und wenn mal ein Spiel wie gegen Bremen oder Leverkusen mit vielen Gegentoren verloren geht: Die Anhänger - und Kunden - honorieren auch schon den Einsatz. Manager, die Millionen für Investitionen zur Verfügung haben, gehen gern auf Nummer Sicher. Sie kaufen Techniken, die schon etabliert sind. Und sie sammeln Arbeitskräfte, die anderswo schon erfolgreich waren. Im Fußball treibt dies die Transfersummen für die Ronaldos und Ballacks ins Unendliche. In der Wirtschaft gilt das Gleiche für die Gehälter der Supermanager. Am Ende streiten sich, wie in München, drei Superstars um zwei Plätze im Sturm. Rangnick, als Trainer auch Personalchef, investierte dagegen nicht in fertige Stars, sondern in Nachwuchsspieler mit Potenzial und Teamqualität. Das Durchschnittsalter liegt bei 23 Jahren. Doch wichtiger als das Geburtsdatum: Alle Hoffenheimer sind heiß auf Erfolg. Hopp trägt mit der Förderung des Jugendsports dazu bei, dass dies auch so bleibt. Und noch etwas zeigt der Erfolg der Rangnick-Elf: Man muss seinen Standort nicht in Berlin, München oder Hamburg nehmen, um erfolgreich zu sein. Manche Blumen blühen sogar in der Provinz erst richtig auf. Dabei haben die Rhein-Neckar-Region und Ostwestfalen, haben Hoffenheim und Gütersloh einiges gemeinsam: Hier lässt man sich Zeit für den Aufbau. Was morgens investiert wird, muss nicht schon am Abend Rendite abwerfen. Schön, wenn sich der Erfolg - wie bei Hoffenheim - trotzdem schneller als erwartet einstellt.
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