Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zu den Metall-Tarifen:
Bielefeld (ots)
Die letzte Runde der Metall-Tarifgespräche dürfte den beteiligten Verhandlungspartnern gestern einiges an Überstundenzuschlägen eingebracht haben. Doch das Geld für den rekordverdächtigen 22-Stunden-Sitzungsmarathon ist gut angelegt. Ein Streik mitten in der Finanzkrise hätte dem Ruf der deutschen Industrie geschadet und die Fahrt ins konjunkturelle Tal beschleunigt. Mit dem jetzt gefundenen Kompromiss sollten beide Seiten leben können. Die hohen Einmalzahlungen belohnen die Arbeitnehmer für ihren Einsatz in den für die Branche außerordentlich erfolgreichen Jahren 2006 bis 2008. Wichtig für die Arbeitgeber: Diese Beträge gehen nicht in die Lohnrechnungen der bevorstehenden schwierigen Zeit ab 2009 ein. Die Unternehmen werden genug damit zu tun haben, die verbleibenden 4,2 Prozent durch Produktivitätsfortschritt zu finanzieren, ohne dass ihre Umsätze darunter leiden. Ein Streik hätte besonders im Lack der deutschen Automobilhersteller Kratzspuren hinterlassen. Dabei wäre der akute wirtschaftliche Schaden noch nicht mal so ins Gewicht gefallen: Gerade bei den Zulieferern bleiben im Dezember diesmal ohnehin viele Beschäftigte nicht wegen Streiks, sondern fehlender Nachfrage länger zu Hause. Doch Kunden im In- und Ausland hätten sicher kaum Verständnis für eine Lieferzeitverlängerung wegen Streiks, zumal die Konzerne derzeit noch in Berlin und Brüssel um Subventionen anstehen. Jahrzehntelang war es ein Standortvorteil, dass sich die Tarifparteien in Deutschland meist ohne lange Streiks einigen konnten. Es scheint, als sei diese Zeit vorbei. Die großen Auseinandersetzungen im öffentlichen Dienst 2006, die vom Marburger Bund organisierten Demonstrationen der Ärzte und der ein Jahr dauernde aufregende Lokführer-Streik 2007 sowie nicht zuletzt die erneuten Auseinandersetzungen im Öffentlichen Dienst 2008 haben das Bild verändert. Zum Glück für die deutsche Wirtschaft ist die Streikzunahme zu einem großen Teil nur gefühlt. International steht die Bundesrepublik in Sachen Arbeitskampfhäufigkeit noch relativ gut dar. Im Jahresdurchschnitt sind nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2000 bis 2007 je tausend Beschäftigte fünf Arbeitstage ausgefallen. Zum Vergleich: In Großbritannien waren es 30, in den USA 32, in Italien 93, Frankreich 103 und in Spanien sogar 173. Nur in der Schweiz (4), Polen (3) und Japan (0) wurde noch weniger gestreikt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die sich häufenden Warnstreiks wegen ihrer kurzen Dauer von nur wenigen Stunden in dieser Statistik nicht aufgenommen sind. Die Langfristigkeit des Metall-Tarifvertrags gibt den Unternehmen und der Branche jetzt erst einmal Sicherheit. Dies ist in unsicheren Zeiten wie der jetzigen von besonderer Bedeutung. So können sich vielleicht auch andere Branchen wenn nicht an der genauen Höhe, so doch zumindest an der Struktur des Metall-Tarifabschlusses orientieren.
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