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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Bielefeld (ots)

Bauer wird Star. Noch nie in der Geschichte war
es so einfach, bekannt zu werden. Bis zu acht Millionen Menschen 
verfolgen jeden Montag am Fernseher, wie einsame Landwirte Frauen den
Schweinestall zeigen, ihnen selbstgemachte Wurst aufs Brot legen und 
mehr oder weniger ungelenk zarte Bande zu knüpfen versuchen. Anstatt 
zum Objekt der Belustigung zu werden, avanciert der singende Schäfer 
Heinrich zum Medienstar.
Er wird von Party zu Party weitergereicht, singt vor johlender Menge 
sein Lied und schreibt, umringt von jungen Damen, Autogramme. 
»Wahnsinn«, sagt Heinrich und schüttelt selbst den Kopf. Er weiß 
nicht so recht, wie ihm geschieht. Eigentlich sucht er mit Hilfe des 
Fernsehens nur eine Frau. Und dann ist er plötzlich ein Star. Die 
Berichterstattung hat sich verselbständigt.
Bis zum Fernsehzeitalter entschieden die Herkunft, Geld und 
außergewöhnliche Begabungen darüber, ob jemand über die Grenzen 
seiner Stadt hinaus bekannt wurde. Im Mittelalter konnte kein Mensch 
ein Star werden, da durfte nur Gott angebetet und gerühmt werden. Bis
die Französische Revolution 1789 die Herrschaft des Adels brach, 
bildete vornehme Abstammung die Voraussetzung für eine Karriere in 
Politik und Militär. Lediglich Musik, Literatur und Wissenschaft 
boten einem Bürgerssohn Gelegenheit, sich aus der grauen Masse 
hervorzuheben. Ohne solides Wissen und Begabung ging nichts, das 
Bildungsbürgertum hieß nicht ohne Grund so.
Waren die Stars früher Mozart und Schiller, heißen sie heute Bohlen 
und Pocher. Das Fernsehzeitalter hat das jahrhundertealte Verständnis
von Berühmtheit verändert: Heute sind außergewöhnlichen Talente kein 
Muss mehr, um im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen. Schon der Mut, 
vor die Kameras zu treten, kann reichen, damit jemand zum Star wird. 
So wie der singende Schäfer Heinrich in »Bauer sucht Frau«: Er hat 
die Courage, seine Schüchternheit im Umgang mit Frauen vor einem 
Millionenpublikum zu offenbaren. Das Fernsehen hat den Weg zum Star 
beliebig gemacht, Berühmtheit vervielfacht. Gefeiert wird, wer viel 
kann, aber auch, wer einfach so ist, wie er ist. Großartige Musiker 
wie Herbert Grönemeyer sind heute genauso Stars wie singende Schäfer 
aus dem Sauerland.
Ist diese Entwicklung bedauerlich oder erfreulich? Ersteres. Denn das
Fernsehen hat Berühmtheit nicht nur beliebig, sondern auch 
schnelllebig gemacht. Den singenden Schäfer Heinrich kennt in drei 
Jahren niemand mehr. Und außerdem: Wer dadurch bekannt wird, dass er 
in einem Dschungelcamp Kakerlaken verspeist, ist ein fragwürdiger 
Star. Er kommt in kein Geschichtsbuch. Komponist Beethoven, Dichter 
Heine, Politiker Bismarck, Wohltäterin Mutter Theresa und 
Weitsprungolympiasiegerin Heike Drechsler stehen bereits drin, weil 
sie auf ihrem Gebiet Großartiges geleistet haben. Deshalb können wir 
dem singenden Heinrich alles Gute bei der Suche nach einer Frau 
wünschen, aber wir sollten ihn nicht Star nennen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original content of: Westfalen-Blatt, transmitted by news aktuell

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