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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Bielefeld (ots)

Es sind schwere Wochen für Angela Merkel, von
besinnlicher Vorweihnachtszeit keine Spur. Am Freitag erst ging in 
Brüssel der EU-Gipfel zu Ende. Am Sonntag empfängt die 
Bundeskanzlerin hochrangige Wirtschaftsvertreter, um über die 
richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzkrise zu beraten. Noch 
in diesem Jahr soll zudem über staatliche Hilfen für den in Not 
geratenen Autobauer Opel entschieden werden. Keine Frage: Angela 
Merkel erlebt den Härtetest ihrer Kanzlerschaft.
 In bemerkenswerter Einigkeit mit SPD-Bundesfinanzminister Peer 
Steinbrück lehnt die CDU-Chefin das Motto »Viel hilft viel« ab. 
Selbst der einmütige Rat der Wirtschaftsexperten, die Konjunktur 
schnell und massiv zu stützen, konnte daran nichts ändern. Kritiker, 
von denen es viele gibt, werfen der Kanzlerin vor, die 
Rezessionsgefahren zu unterschätzen. Sie verhalte sich starrköpfig.
 Dabei herrscht noch immer ein ziemliches Stimmengewirr. In der 
Frage, wie denn genau der Krise beizukommen sei, sind sich die 
Experten schon weit weniger einig. Gleiches gilt für das erwartete 
Ausmaß und die Dauer der wirtschaftlichen Talfahrt. Stattdessen liegt
Aktionismus in der Luft nach dem Motto: »Lieber das Falsche tun als 
gar nichts tun«.
Zum Streit in der Sache kamen zuletzt unübersehbare atmosphärische 
Störungen. Angela Merkel erlebt beinahe täglich Sperrfeuer von der 
Schwesterpartei. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich auf seine 
Dauerrivalin eingeschossen, und selbst der ansonsten weithin blasse 
Wirtschaftsminister Michael Glos lässt kaum eine Gelegenheit zur 
versteckten Schelte aus.
 Mit Englands Premier Gordon Brown und dem französischen 
Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy hatten die großen europäischen 
Nachbarn zuletzt gar Spott für Angela Merkel übrig. Erst machte die 
wenig schmeichelnde Bezeichnung »Madame No« die Runde, dann blieb die
Kanzlerin bei der Vorbereitung des Brüsseler Gipfels außen vor. Ein 
Affront.
Doch Merkel wäre nicht Merkel, wenn sie das alles nicht abschütteln 
könnte. Im Innern mag es brodeln, nach außen gibt sich die Kanzlerin 
gelassen. Und am Ende trägt das Gipfelergebnis unverkennbar ihre 
Handschrift. In Sachen Konjunktur werden die Erwartungen an 
staatliches Handeln deutlich abgeschwächt. Beim Klimaschutz rückt die
Kanzlerin selbst von ihren ehrgeizigen Zielen ab. Europas Industrie 
wird spürbar geschont, zumindest vorerst. Angela Merkel ist 
überzeugt: »Klimakanzlerin« und Konjunkturkrise, das passt nicht 
zusammen. Jetzt geht es zuerst um den Erhalt der Arbeitsplätze.
 Dass sie damit einem möglichen politischen Leitbild einen herben 
Dämpfer verpasst, nimmt sie in Kauf. Angela Merkel bleibt sich treu. 
Das Abwägen ist eine ihrer großen Stärken, das Gespür für die 
durchsetzbare Mehrheitsmeinung eine andere - Visionen müssen im 
Zweifelsfall warten.
 Im politischen Alltag hat sie mit dieser Strategie großen Erfolg, 
und einiges spricht dafür, dass sie damit auch weiter Erfolg haben 
wird. Ob sich so eine große Kanzlerschaft begründen lässt, ist 
hingegen eine ganz andere Frage.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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