Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
Wildbad Kreuth markiert das politische Comeback dieses Winters: Mit der CSU ist wieder zu rechnen. Vergessen scheint die lange Zeit der Pleiten, Pech und Pannen, die mit Paulis Auftritt und Stoibers Abgang begann und in der Schlappe bei den bayerischen Landtagswahlen gipfelte. Die Tristesse des Duos Günther Beckstein und Erwin Huber ist wie weggeblasen. Der Löwe brüllt wieder. CSU-Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer hat ihm seine Stimme zurückgegeben und ihm neuen Mut eingehaucht. Zuletzt in der Koalitionsrunde zum Konjunkturpaket II. Erst streckte CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Streit um Steuersenkungen die Waffen, nun zog der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering nach. Seehofer hat sich durchgesetzt. Angesichts seiner kraftvollen Auftritte fühlt sich mancher gar an Franz-Josef Strauß erinnert. Vorbei sind die Zeiten, in denen man in Berlin nur ein müdes Lächeln für die Bayern übrig hatte. Die CSU hat urplötzlich wieder Gewicht, und Seehofer will dafür sorgen, dass das so bleibt. Merkwürdig blass wirkt gegen den forschen Bayern die Riege der CDU-Landesfürsten. Weder NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers noch sein niedersächsischer Kollege Christian Wulff wagen ein Aufbegehren gegen Angela Merkel, wie es Seehofer praktiziert. Und Roland Koch ist froh, dass ihm Andrea Ypsilanti mit ihrer Tollpatschigkeit eine zweite Chance in Hessen geschenkt hat. Seehofer aber kann so handeln, weil es die Sonderrolle Bayerns und dieses einzigartige Gebilde der »Schwesterparteien« erlauben. Seehofer muss so handeln, um diese - zu Unrecht schon totgesagte - Sonderrolle zu verteidigen. Und Seehofer will so handeln, weil ihn mit Angela Merkel bereits über viele Jahre eine tiefe Rivalität verbindet. Auch mit Blick auf die Bundestagswahl will die CSU das Programm vorgeben, auch dort sollen Steuersenkungen im Mittelpunkt stehen. Die CSU feilt, dem eigenen blassen Bundeswirtschaftsminister Michael Glos zum Trotz, am wirtschaftspolitischen Profil der Union. Seehofer weiß, dass in der Merkel-CDU nach dem Rückzug von Friedrich Merz noch immer eine Lücke klafft. Und er fürchtet, dass sich hier die FDP zu stark profilieren könnte. Bis zur Bundestagswahl am 27. September ist es noch weit. Erst muss die CSU die Hürde Europawahl am 7. Juni erfolgreich nehmen. Dabei hatte Seehofer zuletzt parteiintern einige Personalquerelen zu verkraften. So misslang es ihm, die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier als Spitzenkandidatin durchzusetzen. Und die neuesten Zahlen belegen, dass noch viel Arbeit auf den Parteichef und Ministerpräsidenten wartet. Fänden am Sonntag in Bayern Landtagswahlen statt, könnte die CSU nach einer Umfrage des Instituts GM gegenüber den 43,4 Prozent von der Landtagswahl im Herbst gerade einmal 1,6 Prozentpunkte zulegen. Der bayerische Löwe wird also weiter brüllen - er muss es sogar. Ob er auch wieder beißen kann, wird sich erst noch zeigen.
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