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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan

Bielefeld (ots)

Die neue US-Regierung soll bei der Münchener
Sicherheitskonferenz nächste Woche einen »ersten Aufschlag« in der 
Außen- und Sicherheitspolitik von Nahost, über Irak und Iran bis 
Afghanistan planen. Das hat Konferenzleiter Wolfgang Ischinger ebenso
viel wie nichts sagend orakelt.
Dabei ist spätestens seit gestern klar, wohin die Reise insbesondere 
am Hindukusch geht. Washington lässt soeben den afghanischen 
Präsidenten Hamid Karsai mit Glanz und Gloria fallen.
 Der elegante Paschtune pflegte engste Beziehungen mit Barack Obamas 
Vorgänger George W. Bush. Jetzt ist der kurze Draht ins Weiße Haus 
gerissen.
Zu viel versprochen, zu wenig gehalten. Auf diesen kurzen Nenner 
lässt sich die gewandelte Einschätzung Karsais in den USA bringen. 
Hohe Nato-Offiziere im Isaf-Hauptquartier in Kabul haben schon länger
auf Korruption, Misswirtschaft, Bereicherung und spurlos 
verschwundene Millionenbeträge im dreistelligen Bereich hingewiesen. 
Richard Holbrooke, Obamas Sonderbeauftragter für Afghanistan und 
Pakistan, wird im politischen Washington dieser Tage mit einer 
Bewertung der afghanischen Regierung aus dem Mai 2008 zitiert: »Sie 
ist schwach; sie ist korrupt; sie hat eine sehr dünne 
Führungsschicht; sie ist intern zerstritten; sie hat nie einen 
wichtigen Drogenbaron festgenommen.« Und: »Ohne bessere Leistung der 
afghanischen Regierung kann der Krieg gegen die Taliban nicht 
gewonnen werden.«
Vordergründig geht es im Augenblick um die Frage, ob die 
ausländischen Militärs massiv vorgehen können gegen eine 
Rauschgiftindustrie, die den Aufstand der Taliban mitfinanziert. In 
Wahrheit wollen zögerliche Generale nur eine klarere Befehlslage 
haben, bevor normale Kriminelle als vermeintliche Terroristen durch 
Nato-Kugeln sterben.
Mehr noch: Wenn sie wirklich gegen die Verantwortlichen für 80 
Prozent der Welt-Heroinproduktion vorgehen wollten, müssten sie als 
erstes Karsais Halbbruder verhaften, vor Gericht stellen und gemäß 
den Gesetzen der islamischen Republik Afghanistan womöglich 
hinrichten lassen.
In diese Abgründe mag sich auch die Obama-Administration nicht herab 
begeben. Deshalb vollzieht sie die Trennung vom Karsai-Clan - und 
baut diskret einen noch unbekannten Nachfolger auf. Holbrooke wusste 
schon vor einem Jahr: »Es gibt eine Menge qualifizierter, 
beeindruckender Afghanen in dem Land.«
Die gestern angekündigte Verschiebung der Präsidentenwahl auf den 20.
August erscheint damit in einem ganz anderen Licht. Nach der 
Verfassung endet Karsais Amtszeit am 22. Mai und 30 bis 60 Tage 
vorher müsste eigentlich gewählt werden. Kabul führt jetzt 
Sicherheits- und Finanzprobleme sowie technische Schwierigkeiten als 
Begründung für den Verzug an. Der Chef der Wahlkommission erklärte 
zugleich, dass Karsai bis nach der Wahl im Amt bleiben dürfe.
Man könnte, Weiterungen nicht ausgeschlossen, auch von »Putsch« 
sprechen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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