Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Aufnahmelager Lampedusa
Bielefeld (ots)
Alle reden über Guantanamo, kaum einer über Lampedusa. Dabei haben die beiden Lager eines gemeinsam: Ihre Insassen will die Welt nicht. In dem amerikanischen Gefangenenlager sitzen vermeintliche islamistische Terroristen - kein Wunder, dass sich der Westen nicht um sie reißt. Im Aufnahmelager auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa stecken keine Verbrecher, sondern Armutsflüchtlinge fest. Ausgelegt für nur 850 Personen, drängen sich dort jetzt bis zu 2000 Boatpeople. Früher wurden sie auf der Insel medizinisch betreut und dann auf verschiedene Zentren in Süditalien verteilt. Italien erwarb sich mit diesem Vorgehen viel Lob. Das Beispiel für einen verantwortlichen Umgang mit Migranten und Schutzsuchenden ist nach der Regierungsübernahme von Silvio Berlusconi einem Festungsdenken gewichen. Anfang des Jahres hatte Innenminister Maroni angeordnet, dass Bootsflüchtlinge bis zu ihrer endgültigen Abschiebung auf der Insel festzuhalten seien. Die Aussage ist klar: Wir wollen euch nicht und lassen euch deshalb erst gar nicht aufs Festland. Eine alte Marinebasis auf Lampedusa soll in ein Abschiebelager umfunktioniert werden, und prompt sprach die oppositionelle demokratische Partei davon, die Regierung Berlusconi versuche, Lampedusa in ein zweites Guantanamo zu verwandeln. So sehr die Kritik an Berlusconis Flüchtlingspolitik berechtigt ist, so unsinnig ist der Vergleich. Die Flüchtlinge aus Afrika wollen in Italien keine terroristischen Anschläge verüben, sondern träumen von einem besseren Leben im wohlhabenden Europa. Nackte Angst ums Überleben oder Furcht vor politischer Verfolgung in ihrer Heimat ließ sie in Nussschalen steigen und den lebensgefährlichen Weg übers Meer antreten. Mehr als 500 Männer, Frauen und Kinder ertrinken dabei nach Schätzungen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) jedes Jahr. Das UNHCR protestierte inzwischen gegen die Zustände auf Lampedusa: Entkräftete Menschen müssten im Freien schlafen, zugedeckt nur von Planen. Ende Januar brachen 50 Flüchtlinge aus dem überfüllten Camp aus und wurden wieder eingefangen. Die Einheimischen demonstrierten gegen die zunehmende Zahl der Migranten auf »ihrer« Insel und beklagten negative Auswirkungen auf den Tourismus. Wieder lautet die Botschaft: Wir wollen euch nicht. Aber solange es das Wohlstandsgefälle zwischen Europa und Afrika gibt, solange kann sich der Westen des Flüchtlingsstroms übers Meer sicher sein. Die Menschen haben ein Recht darauf, dass ihr Antrag auf Asyl gewissenhaft geprüft wird. Und bis zu einer Entscheidung darf man sie nicht wie Vieh einpferchen. Wenn Guantanamo, wie von US-Präsident Barack Obama angekündigt, in einem Jahr geschlossen sein wird, spricht bald niemand mehr darüber. Das Lager auf Lampedusa aber wird den Westen weiter zur Menschlichkeit ermahnen.
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