Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Wahlen in Israel
Bielefeld (ots)
Es ist nicht irgendeine Wahl in irgendeinem Land. Von der Abstimmung hängt die mittelfristige Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten ab. Israel wählt heute ein neues Parlament. 120 Sitze sind in der Knesset zu vergeben. Vom Gaza-Konflikt und dem iranischen Atomprogramm ist der Wahlkampf bestimmt. Und daher wundert es nicht, dass ein Verfechter der harten Linie gegenüber den Palästinensern und den Mullahs in Teheran in der Wählergunst vorn liegt. Jüngsten Umfragen zufolge bekäme Benjamin Netanjahus Likud-Partei 26 Sitze - und damit als stärkste Fraktion den Auftrag zur Regierungsbildung. Außenministerin Zipi Livni von der Kadima-Partei, die im vergangenen Herbst bei den Koalitionsverhandlungen an den religiösen Gruppen im Parlament scheiterte, würde 23 Mandate erringen. Dass mit Netanjahu ein »Falke« Ministerpräsident werden könnte, ist als Gegenreaktion der Israelis auf die Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten zu werten. Obamas Ankündigung, dass Amerika fortan als eine Art »ehrlicher Makler« im Nahen Osten vermitteln wolle, lässt das ohnehin stark ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis der Menschen von Nahariya bis Eilat weiter steigen. Es spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse wider, dass die stärkste Partei nicht einmal 30 der 120 Sitze erhalten könnte. Israels Bevölkerung besteht aus sechs Hauptgruppen: orthodoxen Juden, Arabern mit israelischem Pass, russischen Einwanderern, Siedlern, orientalen Juden und nicht-frommen Juden. Für jede Gruppe gibt es Klientelparteien, die Interessen durchzusetzen versuchen und sich in Verhandlungen teuer verkaufen wollen. Um die im Wahlkampf propagierte »Regierung der nationalen Einheit« bilden zu können, hat Netanjahu eine Koalition aus seinem Likud-Block, Kadima und Arbeiterpartei angeregt. Dieses Dreier-Bündnis käme auf eine Mehrheit von etwa 65 Sitzen und wäre nicht auf die religiöse Shas-Partei oder die starke Russenvertretung »Unser Haus Israel« (20 Sitze) angewiesen. Sollten die Verhandlungen der drei Parteien der Mitte scheitern, könnte der Likud-Chef doch eine religiös-konservative Koalition bilden, die sich gewiss nicht durch Stabilität auszeichnen würde. Der Mann, der bereits von 1996 bis 2005 Ministerpräsident, Außen- und Finanzminister war, ist nicht der Wunschkandidat des Weißen Hauses. Denn Netanjahu dürfte vor dem aktuellen Hintergrund des iranischen Satellitenprojekts, das im Zusammenhang mit dem Atomprogramm betrachtet werden muss, Druck auf die USA machen. Einen Neuanfang im Nahost-Konflikt, den sich die Obama-Administration wünscht, personifiziert Netanjahu nicht. Für ihn steht die Sicherheit Israels an erster, zweiter und dritter Stelle seiner Agenda. Und während des Wahlkampfs hat der Favorit auch schon deutlich gemacht, für einen »Frieden« mit den Palästinensern nicht alle israelischen Siedler zum Verlassen des Westjordanlands bewegen zu wollen. Im Heiligen Land stehen die Zeichen nicht auf Frieden, sondern bestenfalls auf Waffenruhe
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