Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Streit im ZDF/Nikolaus Brender
Bielefeld (ots)
Hoppla, da war doch was, damals, beim ZDF. Da ging es doch um die Wahl des Intendanten. Schon vergessen, dieses unsägliche Geschubse und Gezerre in den politischen Parteien? Bei allen im übrigen. Ein Spektakel war es, mit allen Facetten von unwürdig bis lächerlich. Und obendrein noch durchsichtig, schlecht gemacht, hilflos. Schon damals hätte man das Geschäft Profis überlassen sollen. Doch wo waren die, wo sind sie heute? Alles schon vergessen? Nichts gelernt? Keine Reue, keine Einsicht? Wenn es um Wahlkampf geht, und in dem stecken wir, gilt es offensichtlich, die parteipolitischen Scheuklappen anzulegen. Dazu noch »Augen zu und durch«. Die politische Narrenkappe wäre eigentlich besser, dann gäb's wenigstens was zu lachen. Doch Spaß beiseite. Es geht um den ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der ein Jahr vor Ablauf seines Vertrags wissen soll, ob er denn noch fünf Jahre weiter machen darf oder nicht. Der Intendant Markus Schächter hat den guten Mann zur Wiederwahl vorgeschlagen, und schon geht es wieder in die Schlacht um den Proporz. Der unionsdominierte ZDF-Fernsehrat mag sich nicht mit Brenders Weiterverpflichtung anfreunden. Die SPD ist natürlich für Brender. Der wird in der öffentlich-rechtlichen Farbenlehre als SPD-Mann gehandelt, besitzt dieses Parteibuch jedoch nicht. Unbestritten allerdings ist, dass der 60-Jährige ein ausgezeichneter Journalist ist, der dem ZDF bisher ziemlich gut getan hat. Er ist aufrecht, kein Parteischwätzer und lässt sich nicht in ein Gehorsamsraster pressen. Dass er auch eckig ist, mag für ihn sprechen. Qualität zählt aber nicht im Wahlkampf. Roland Koch, der Mann, der gerne zündelt, ist wieder mittendrin im Strudel. Der stellvertretende Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats macht Wünsche in einer großen Zeitung öffentlich. Da hält er Brender Versagen vor und lastet ihm die Verantwortung für zurückgehende Zuschauerzahlen an. Das, was Koch offenbar für einen guten Schachzug hält, ist nur allzu durchsichtig. Um eine politische Debatte gehe es bei Brender nicht, setzt Koch nach. Da strahlt die helle Lampe der Scheinheiligkeit. Ihm gehe es nicht um parteipolitische Motive, sondern um eine positive Entwicklung des ZDF, gab der hessische Regierungschef zu Protokoll und warf im gleichen Atemzug den Unterstützern Brenders im eigenen Hause vor, Druck auf das Sendergremium ausüben zu wollen. Er darf's. Die Kollegen nicht? Das Ganze riecht nach Mobbing. Bringt man Nikolaus Brender so weit, dass er nicht weitermacht (oder machen kann), kann eine möglicherweise siegreiche Union den Schlüsselposten mit einem geschmeidigeren Mann besetzen. Zum Wohl des ZDF? Diesmal trifft die Kritik den rechten Flügel. Doch machen wir uns nichts vor: Wäre die Situation umgekehrt, hätten wir das gleiche Bild. Ringen um gute Lösungen, um gute Leute und ein gutes Gleichgewicht ist in Ordnung. Zuviel Politik nicht.
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