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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Horst Köhler

Bielefeld (ots)

So unspektakulär, wie in einem Superwahljahr
überhaupt möglich, ist Horst Köhler als Bundespräsident im Amt 
bestätigt worden. Der hauchdünne Stimmenvorsprung und die 
hinreichende Geschlossenheit der Lager hat ihn am Samstag durchatmen 
lassen. Am Sonntag schon konnte ihm das Ergebnis egal sein.
Denn Köhler muss wechselnde Mehrheiten in den kommenden fünf Jahren 
nicht fürchten. Er hat nicht einmal seinen Unterstützern besondere 
Schonung zu gewähren, weil eine dritte Amtszeit qua Gesetz 
ausgeschlossen ist.
 Inmitten einer tiefen Krise und vor großen Herausforderungen muss 
Köhler einzig dem Volk dienen - und das schätzt ihn mehr und 
unverstellter als alle Vorgänger von »Papa« Theodor Heuss bis zu 
»Bruder« Johannes Rau. Horst Köhler findet sich persönlich wie 
politisch in bester Verfassung. Nicht als Gutmensch, wohl aber als 
Vordenker der Gutwilligen im Lande dürfen wir uns auf eine noch etwas
sicherere und in Nuancen anstoßendere Amtsführung freuen.
Hinter der präsidialen Dimension der Wahl durch die Bundesversammlung
wurde am Samstag sofort auch deren parteipolitische Inanspruchnahme 
deutlich. Mit dem Wort vom »klaren Signal für Schwarz-Gelb« 
kommunizierten Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle in
einem gemeinsamen Presseauftritt nichts als Wunschdenken.
Das unangemessene Auftrumpfen hatte sogar einen Vorlauf. Nämlich jene
hochpeinliche Protokollpanne, als der gespannt wartenden Versammlung 
zunächst Musiker und dann auch noch halbverdeckte Blumensträuße 
Köhlers Sieg verrieten.
Die einen tuschelten »habemus papam«, die anderen konnten der 
solcherart vorgeführten Verliererin Gesine Schwan nichts ersparen - 
weder mit versteinerten Mienen noch mit kleinen Albernheiten. Die 
Kandidatin nicht einmal aller 514 rot-grünen Wahlleute musste mehr 
Bitterkeit hinnehmen, als demokratische Wahlen stets für die 
Unterlegenen bedeuten. Das war unwürdig.
Allein Horst Köhler kartete nicht nach, wenngleich ihm der zumindest 
von seinen zwei Mitbewerbern veranstaltete Wahlkampf kaum gefallen 
haben dürfte.
 Der Bundespräsident dürfte demnächst also etwas mehr auf Distanz zur
Tagespolitik gehen. Schon seine am Wochenende demonstrierte Sympathie
für mehr Mitsprache des Volkes zeigt, wohin die Reise geht. In seiner
Ansprache vor der Bundesversammlung setzte Köhler die Linie aus dem 
Festvortrag zum 60. Geburtstag der Bundesrepublik fort. Wer genau 
hinhörte, fand interessante Hinweise. Sogar die vielfach geäußerte 
Hoffnung auf die Überarbeitung oder gar Neufassung des Grundgesetzes 
könnte in den kommenden Jahren zu seinem Projekt werden.
 Es geht nicht um schnelle Ergebnisse, wohl aber darum, die klügsten 
Köpfe aus der bundesdeutschen Enkelgeneration miteinander ins 
Gespräch zu bringen. Wer, wenn nicht der Bundespräsident, wäre 
geeignet, die Ideenfindung zu moderieren.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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