Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum "Wahlkampfthema Krümmel"
Bielefeld (ots)
Pleiten, Pech und Pannen - anders kann man die Serie von Störfällen am Atomkraftwerk Krümmel bei Hamburg nicht beschreiben. Für den Betreiber Vattenfall sind die technischen Schäden äußerst peinlich, für die SPD sind sie ein gefundenes Fressen. Die Wahlkampfstrategen der SPD müssen sich vor Freude die Hände gerieben haben. Kaum hatte ein Kurzschluss in einem Transformator den Schrottmeiler lahm gelegt, schoss ein alter Wahlkampfschlager der SPD wieder in die Hitparaden. Atomausstieg jetzt! Krümmel, nein danke. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel kann sich glücklich schätzen, so tüchtige Mitarbeiter in seinem Ministerium zu haben. Seit 2005 zieht ein äußerst gewiefter, zugleich aber auch sehr umstrittener Staatssekretär namens Matthias Machnig die Strippen im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Jener Matthias Machnig, der jetzt für Sigmar Gabriel den Anti-Atom-Wahlkampf startete, war es auch, der mit verantwortlich für die erfolgreichen Kampagnen der SPD zur Bundestagswahl 1998 und 2002 sowie zur Landtagswahl 2000 in Nordrhein-Westfalen zeichnete. Seither gilt er als »Machinist der Macht« (Süddeutsche Zeitung), als »Stimmenjäger« oder als »Prinz der Dunkelheit«, der »ohne Legitimation hinter den Kulissen« (Die Zeit) versucht zu retten, was vielleicht aus Sicht der SPD bei der Bundestagswahl noch zu retten ist. Wahlkampf hin, Wahlkampf her: Zu Krümmel gehen die Meinungen meilenweit auseinander. Während die einen in dem Störfall schon fast eine Atomkatastrophe sehen, sagen andere, dass die Lichter ausgehen werden und der Strom nicht mehr zu bezahlen sein wird, wenn Krümmel und andere Anlagen vom Netz gehen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Fakt ist, dass der Transformator kein sicherheitsrelevantes Bauteil ist. Der Trafo unterliegt nicht der Atomaufsicht. Die Panne ist auf der siebenstufigen Skala ganz unten angesiedelt. Und der zweite Schaden fällt auch in die Kategorie Routineangelegenheit. Der Defekt eines von insgesamt 80000 Brennstäben gehört nicht zu den »meldepflichtigen Ereignissen«, die es nach Herstellerangaben zwei bis drei Mal pro Jahr gibt und immer wieder zu beängstigenden Störfällen aufgebauscht werden. Gabriel macht eine Wahlkampfshow ohne Substanz. Wenn er die Atommeiler insgesamt für ein Sicherheitsrisiko hält, muss er sie sofort abschalten. Wenn er ein Konzept hat mit realistischen und finanzierbaren Alternativen, muss er dieses vorlegen. Aber pure Angst in der Bevölkerung zu schüren und das atomare Schreckgespenst an die Wand zu malen sind billige Methoden, um im linken Wahlkampfbecken nach Stimmen zu fischen. Hurra, die SPD hat endlich ein Thema - welch ein strahlender Wahlkampf!
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