Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Humboldt-Forum Berlin
Bielefeld (ots)
Still und starr ruht der See. Der Bundesbauminister bewegt sich nicht. Und das kann nur heißen: Da ist was faul. Hat Franco Stella, der das Berliner Stadtschloss wieder aufbauen darf, die Bedingungen erfüllt, die an die Wettbewerbsteilnahme geknüpft waren? »Wir überprüfen neu«, ließ Bauminister Wolfgang Tiefensee mitteilen, vor Wochen schon. Danach: Stille. Der SPD-Politiker steckt bis zur Bundestagswahl den Kopf in den Sand, denn so eine Affäre gefährdet die Karriere. Jeder darf von Stellas künstlerischer Idee, einem Andreas-Schlüter-Gedächtnisbau für nicht genau Hinguckende, denken, was er will. Wenn aber gemauschelt wurde . . . Der Bürger wird den Verdacht nicht los, dass das 560-Millionen-Euro-Projekt bloß ein Denkmal ist, das sich die Tiefensees dieser Republik selber setzen. Das heißt: Fassade genügt. Barocker Zierat vor leeren Räumen. Wir kennen dieses Phänomen des attraktiv verkleideten Nichts von den Slogans der politischen Parteien: »Zukunft wählen!« Brav machen wir ein Kreuz. Doch wie diese Zukunft aussieht, das muss leider offen bleiben. Nun stimmt das mit den leeren Räumen im vorliegenden Fall natürlich nicht. Das Humboldt-Forum, das, was hinter der pseudoschlüterschen Fassade gestapelt wird, versammelt allein aus den völkerkundlichen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 500 000 Stücke. Die Früchte der Wissenschaft aus der Humboldt-Universität kommen hinzu, ferner die Schätze aus der Berliner Zentralbibliothek. Wir werden, falls wir dem derzeit auf der Museumsinsel präsentierten Konzept zum Humboldt-Forum glauben dürfen, bald im Schloss mit jedem Schritt auf ein kulturelles Artefakt treten. Alles muss rein ins Schloss, denn das ist die Idee: Alle Kulturen sind gleich - identisch. Die Federkrone aus Mittelamerika ist dasselbe wie die Tiara des Papstes im Vatikan. Die Dämonenfigur aus Ozeanien ist dasselbe wie die antike Zeusstatue von Olympia. Der Thron aus Afrika ist dasselbe wie die in Wien aufbewahrten Insignien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Und Natur ist Kultur im Humboldt-Forum: »Die Gräser Mexikos sollen neben den indianischen Stelen Altamerikas präsentiert werden«, wünscht sich Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Uni. Auf deutschem Boden, fern der Heimat, müssen sich auch die Ureinwohner Neuguineas ihrer Kulturellen Identität vergewissern können. Kurz: In Deutschlands Mitte tut die »demokratische Weltgesellschaft« ihr erstes Schnauferl, verkündet die Wochenzeitung »Die Zeit«, menschheitsbeglückend, wie stets. Wir wollen an dieser Stelle gar nicht argwöhnen, dass hier erneut die Idee vom deutschen Wesen, an dem die Welt genesen soll, durch die Hintertür ins Feuilleton geschlüpft ist. Wir fragen ja bloß: Könnte es sein, dass auf dem Berliner Schlossplatz romantische Utopien halluziniert werden? Und dass die Politik drumherum eine schöne Fassade baut? Da ist garantiert was faul.
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