Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu dezentralen Kraftwerken:
Bielefeld (ots)
Schwarm-Strom: So heißt seit gestern ein neues Schlagwort in der Energie-Debatte. Noch stößt die Zunge bei der korrekten Aussprache ein wenig an, aber schon bald könnte ganz Deutschland von der genialen Idee schwärmen. In den höchsten Tönen wirbt der Hamburger Alternativ-Anbieter Lichtblick für seine Vision. Wie ein Heringsschwarm bildeten 100 000 Kleinkraftwerke in privaten Heizungskellern eine intelligente Einheit. Sie produzierten sauberen und flexibel einsetzbaren Schwarm-Strom. Das revolutionäre Energiekonzept ergänze den Ausbau der erneuerbaren Energien und stehe für die Stromversorgung der Zukunft. So weit, so richtig, aber auch so teuer. Jeder, auch nur blass grün angehauchte Kopf dürfte begeistert sein von der Vorstellung, zwei Atomkraftwerke allein durch intelligente Vernetzung kleiner Produzenten zu ersetzen. Blockheizkraftwerke fürs Zweifamilienhaus gibt es längst, wenngleich sie kaum Käufer finden. Trotz großzügigster Förderung muss der Privatinvestor 30 000 Euro für so eine Öko-Heizung auf den Tisch legen. Ohne Lichtblick-Bindung gibt es dann per Einspeisevergütung bis zu 21 Cent für die Kilowattstunde selbst gemachten Strom zurück. Der Lichtblick-Kunde, der mit 5000 Euro Einmalmiete dabei ist, erhält dagegen nur 0,5 Cent. Am Ende geht es darum, wer die ausnahmslos von allen Verbrauchern per Stromrechnung zwangsweise aufgebrachte Subvention abkassiert. Die Beteiligung am dezentralen Kraftwerk will also gut überlegt sein. Ob und wann Lichtblick und Volkswagen als Gasmotorenlieferant 100 000 Geschäftspartner finden, steht deshalb noch ziemlich hoch in den Sternen. Marktpolitisch ist es begrüßenswert, dass neben den vier großen Versorgern ein fünfter durchaus dicker Fisch für Wettbewerb sorgt. Energiepolitisch stellt die Stromproduktion nach dem Ameisenprinzip die notwendige Ergänzung zur Sonnen- und Windenergie dar. Erneuerbare Energien flauen bekanntermaßen sehr launisch auf und wieder ab. Im Gegensatz zur Lichtblick-Werbung ersetzt das dezentrale Kraftwerk eben kein Atomkraftwerk im Grundlastbereich, sondern sogenannte Spitzenlastkraftwerke, die auch mit vergleichsweise teurem Gas betrieben werden. Stichwort Gas. Noch speisen die Hamburger Ökologen klimaschädliches Erdgas ein. Sauberes Biogas gibt es auch wegen der erforderlichen riesigen Monokulturen nicht in ausreichender Menge. Höherer Gasbedarf wiederum steigert die Abhängigkeit von nur drei Lieferländern - darunter Russland. Fazit: Bei allen Ungereimtheiten, die im Öko-Hype von gestern noch untergingen, sind intelligente Lösungen willkommen. Höhere Effektivität muss dem Gesetzgeber auch die Senkung von Dauersubventionen erlauben. Die Stromrechnungen der Verbraucher sind seit 1998 von 2,3 auf 13 Milliarden Euro mehr als üppig gestiegen. Das reicht und muss dringend wieder weniger werden.
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