Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Leistungsdruck an Schulen:
Bielefeld (ots)
So, die Lehrer sind also schuld an der oft beklagten Überlastung der Schüler? Barbara Sommers Äußerung dürfte ihr wenig neue Freundschaften einbringen. Auch zur Verbesserung des Lernklimas an den nordrhein-westfälischen Gymnasien wird diese Feststellung der Schulministerin nicht beitragen. Das ist so sicher wie die Notwendigkeit einer weiteren Qualitätsoffensive im bundesdeutschen Bildungswesen. Bei den Lehrern muss die Kritik wie die Weitergabe des schwarzen Peters ankommen. Eltern werden sich fragen, ob es denn nicht die vom Ministerium betriebene zügige Einführung des G8-Abiturs war, die seitdem für die Unruhe an ihren Schulen sorgt. Aber wenn man den verständlichen Ärger an der Basis einmal in den Hintergrund drängt, dann bietet die bedenkliche Pauschalkritik aus dem Hause Sommer den Schulen auch eine Chance. Denn jeder Schulleiter, jedes Kollegium, jede Schüler- und Elternvertretung kann die umstrittene Vordenkerin aus Düsseldorf beim Wort nehmen und die Freiheit leben, die hier eingefordert wird. Dass das kein einfacher Weg wird, ist klar. Denn damit ist ja nicht weniger gemeint, als den partnerschaftlichen Ausgleich zu finden zwischen Fußballtraining und Unterrichtsvertiefung, zwischen Leistungstestvorbereitung und Familienleben, Vorankommen und Überfordertwerden. Die Gefahr ist groß, dass alle Seiten dabei Fehler machen. Dass viele Lehrer ihre Schüler weiter überfordern, weil sie glauben, das sei so gewollt. Dass die Eltern sich nicht einbringen, weil sie glauben, sie könnten damit nichts erreichen. Und dass das Schulministerium weiter öffentliche Schelte betreibt, statt auf Teamarbeit und vielleicht doch die vertiefende Erläuterung seines pädagogischen Konzeptes zu setzen. Was passiert, wenn diese Fehler doch gemacht werden, liegt auf der Hand, weil es sich ja bereits abzeichnet. Schüler werden in ihrer Entwicklung behindert; Lehrer verlieren die Freude an ihrem Beruf und machen ihn deshalb zwangsläufig schlechter; und Barbara Sommer wird wenig zum von Schwarz-Gelb erhofften Landtagswahlerfolg im Mai beitragen können. Eines sollte aber auch klar sein: Der eingeschlagene Weg ist grundsätzlich richtig. Mehr Schüler müssen schneller Abitur machen. Wenn sich alle Beteiligten darüber zunächst einmal verständigten, wären wir in NRW bereits einen großen Schritt weiter. Als Nächstes muss die Erkenntnis Raum greifen, dass es dabei ohne den anderen nicht geht. Und als Krönung dieser gegenseitigen Vergewisserung sollte das Bildungsklima angesprochen werden. Dann wird schnell deutlich werden, dass Lernen Spaß machen muss, damit sich Spaß an Leistung und Herausforderungen entwickeln kann. Wichtig dafür ist die Sicherheit, ungestraft Fehler machen zu dürfen. Fehler, wie Ministerin Barbara Sommer gestern einen gemacht hat.
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