Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Klimagipfel in Kopenhagen
Bielefeld (ots)
Das Erfinden von Ausreden ist viel einfacher als das Verhalten zu ändern. Für das penible Sortieren ihres Abfalls werden die Deutschen bewundert und belächelt zugleich. Wir können sämtliche Lampen mit Energiesparlampen ausrüsten und trotzdem geht das Klima den Bach herunter. 91 Prozent der Bundesbürger glauben laut einer aktuellen Umfrage, im Alltag darauf zu achten, klimaschonend zu handeln. Zwei Drittel sind sogar bereit, höhere Preise für Produkte zu zahlen, wenn sie klimaschonend hergestellt werden. Doch Vorsicht mit dem Beifall: 75 Prozent der Deutschen sagen Nein, wenn das Autofahren teurer werden soll, um weniger Kohlendioxid (CO2) auszustoßen. Bei diesem Thema hört offenbar der Spaß auf. Dabei ist die Lage eigentlich viel zu ernst. Bundesumweltminister Norbert Röttgen bezeichnet es als eine Überlebensfrage für die Menschheit, die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Ist es wirklich so schlimm? Glauben wir den Klimaforschern, die nicht mehr darauf hoffen, den Klimawandel stoppen zu können sondern allenfalls zu bremsen. Und es sieht nicht danach aus, dass auf dem am Montag beginnenden Klimagipfel in Kopenhagen ein Richtungswechsel erfolgt. Fast alle Staatslenker, die in dänische Hauptstadt reisen, wollen zeigen, dass ihnen das Klima nicht egal ist. Und doch reisen viele von ihnen nur mit dem Flugzeug - auch auf kurzen Strecken. Dabei schädigen die Jets das Klima so stark wie kaum ein anderes Verkehrsmittel. Wirklich? Hier setzen neue Ausreden ein. Umgerechnet pro Kopf und Kilometer sieht die Flieger-Bilanz viel besser aus. Der Autoverkehr trägt fast gar keinen Anteil an der Zunahme von Treibhausgasen. Was nutzt es, wenn die Deutschen ein Volk von Fahrradfahrern werden und in China die Schlote der Kohlekraftwerke so stark rauchen wie nie zuvor? Alles richtig. Doch wenn nicht die leistungsfähigen Staaten mit gutem Beispiel voran gehen, wer dann? Das heißt nicht, dass Europäer und die USA für den Klimawandel allein zahlen sollen. Die Entwicklungsländer benötigen Schätzungen zufolge 100 Milliarden Euro im Jahr für den Kampf gegen die Erderwärmung. Ein Nichtstun wird noch teurer. Zudem wird es nicht reichen, mehr Geld in die Hand zu nehmen, um dann zu glauben, die Welt sei allein so zu retten. Die Wirtschaft wird sich darauf einstellen müssen, grundlegend anders zu produzieren. Die Autoindustrie muss nicht allein PS-starke Fahrzeuge bauen, sondern für umweltschonende Mobilität sorgen. Und die Autofahrer dürfen nicht mehr damit prahlen, bis Hamburg nur zwei Stunden zu benötigen, sondern damit angeben, dass sie auf hundert Kilometer nur zwei Liter Benzin verbraucht haben. All das sind unbequeme Veränderungen. Doch ein Weiter so ist wie Schulden machen: Bezahlen müssen nachfolgende Generationen.
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