Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Kundus-Einsatz:
Bielefeld (ots)
Die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums über die Vorgänge rund um den Luftangriff nahe Kundus ist nicht mehr nachzuvollziehen. Fast jeden Tag kommen neue Einzelheiten ans Licht. Aber anstatt offensiv mit dem Thema umzugehen und Öffentlichkeit und Parlament umfassend zu informieren, hat der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenbrg schon viel zu oft darauf verwiesen, dass alle ungeklärten Fragen im Untersuchungsausschuss zur Sprache kommen werden und erst dann die Öffentlichkeit umfassend unterrichtet wird. Es wäre aber an der Zeit, dass Guttenberg schnell mehr Licht in das Dunkel bringt. So bleiben weiter Vermutungen und Unklarheiten. Inwieweit haben Soldaten der Spezialeinheit KSK wirklich Einfluss vor dem Luftschlag gehabt? Waren die beiden Tanklastzüge oder die Tötung möglichst vieler Taliban-Kämpfer das Ziel des Angriffs? Wieviele Zivilisten sind bei dem Bombardement ums Leben gekommen? Hat Guttenberg Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert zu Unrecht entlassen? Und schließlich muss geklärt werden, was der Minister bereits wissen musste, als er am 6. November den Luftangriff »militärisch angemessen« nannte. Es wartet viel Arbeit auf den Untersuchungsausschuss, der am Mittwoch seine Arbeit aufnimmt. Zu Recht hat sich der Verteidigungsminister bei seinem Besuch im deutschen Feldlager in Kundus vor seine Soldaten gestellt. Sie sind dort in einer kriegsähnlichen Situation. Es geht nach acht Jahren eines immer weiter eskalierenden Konflikts nicht mehr nur darum, brunnenbohrende Aufbauhelfer zu schützen. Es geht darum, die radikal-islamischen Taliban zu bekämpfen, die gegen die Isaf-Soldaten und die afghanischen Einheiten Krieg führen, in Afghanistan wieder die Macht an sich reißen wollen und das Land ins Mittelalter zurückbomben möchten. Bereits im Juli hatte der damalige Generalinspekteur Schneiderhan angesichts der gestiegenen Bedrohungslage von einer höheren Eskalationsstufe der militärischen Auseinandersetzung und einer offensiveren Vorgehensweise der Isaf-Einheiten gesprochen. Widerspruch aus der damals regierenden Großen Koalition gab es nicht. Wenn jetzt darüber gestritten wird, ob der Luftangriff möglicherweise völkerrechtswidrig war, sollte man daran denken, dass die Soldaten mit einem Mandat ausgestattet werden müssen, das ihnen in dieser kriegsähnlichen Situation erlaubt, hart gegen den Gegner vorzugehen. Sonst wären die ausländischen Soldaten in Afghanistan fehl am Platze. Guttenberg fordert jetzt für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr realistische Einsatzregeln. Ob der Konflikt in Afghanistan nun Krieg oder nur kriegsähnlich genannt wird, diese realistischeren Einsatzregeln hätte die Bundesregierung bereits vor Jahren beschließen können, um für Rechtssicherheit zu sorgen. Es wird höchste Zeit, diesen Fehler zu korrigieren.
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