Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Deutsche Bahn:
Bielefeld (ots)
Mal ganz ehrlich: Welcher Autofahrer lässt im Winter sein Fahrzeug in der Garage stehen und steigt auf die Eisenbahn um, wenn er an zugigen Bahnsteigen auf Züge wartet, die Verspätungen haben oder gar nicht erst kommen? Wer will schon gerne vor Fahrkartenautomaten stehen, die nicht funktionieren oder aus den Lautsprechern im Bahnhof lediglich hören, dass es Störungen im Betriebsablauf gibt und somit Alles später wird? Es kann auch passieren, dass der Kunde vor einem verschlossenen Reisezentrum der Deutschen Bahn (DB) oder in einer langen Warteschlange steht, wenn er eine persönliche Beratung wünscht. Denn: Die Öffnungszeiten der Reisezentren werden immer wieder reduziert und Personal am Schalter eingespart. Sicherlich gibt es Entschädigungsregeln bei Verspätungen, die aber so kompliziert wie manche technische Gebrauchsanweisungen sind. Diese Liste der Ärgernisse bei der Bahn ließe sich beliebig verlängern. Doch nicht nur beim Service hapert es. Ein Beispiel, wie die Bahn die Sanierung regionaler Linien verzögert und verteuert, ist die Verbindung zwischen Bielefeld und Paderborn, den beiden Oberzentren in OWL. Die Sennebahn muss hier an einigen Stellen ihr Tempo auf 20 Stundenkilometer drosseln. Zudem ist die Signaltechnik auf dem Stand von vor 100 Jahren. Bereits seit 13 Jahren wird die Bahn zur Sanierung gedrängt. In schlechter Erinnerung sind zudem die beiden Güterzugunfälle innerhalb von zwei Tagen auf der Hauptstrecke Hamm - Minden. Dass das Eisenbahnbundesamt Monate zuvor vor maroden Achsen bei Güterzugwaggons gewarnt hatte, sei hier nur am Rande erwähnt. Zu den noch nicht ausgeräumten Problemen gehören auch das Tempolimit im Herbst bei Schmierfilm auf den Schienen, gestrichene oder verkleinerte ICE-Züge aufgrund von notwendigen Wartungsarbeiten und ungeklärte Brände in ICE-Doppelzügen. Und bei der Fülle dieser schlechten Nachrichten fällt Bahnchef Rüdiger Grube nichts anders ein, als eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Fahrkarten zu fordern. Immer sind erst die anderen dran, bevor vor der eigenen Haustüre gekehrt wird. Fakt ist trotz aller berechtigter Kritik aber auch: Bahnfahren ist umweltfreundlich und oft preisgünstig, wenn denn der Berater am Schalter das Tarifwirrwarr einigermaßen durchblickt. Und die Bahn ist vielfach schneller am Ziel als das Auto und setzt zudem auf Kurzstrecken viele Flieger unter Druck. Nur: Die Bahn muss ihren Fahrplan auch einhalten. Sie darf Beschwerden von Kunden nicht aufs Abstellgleis schieben. Sie muss ihre Fahrgäste mit mehr Freundlichkeit, Entgegenkommen und mehr Service umwerben und nicht als Menschen behandeln, die gegen Bezahlung lediglich von einem Punkt zum anderen wollen. Der Kunde ist König. Auch bei der Deutschen Bahn muss dies gelten. Das sollte sich Bahnchef Grube an erster Stelle in sein Kursbuch schreiben und die Signale endlich auf freie Fahrt für eine neue Verlässlichkeit des staatlichen Eisenbahnunternehmens stellen.
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