Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema NRW-Regierungserklärung:
Bielefeld (ots)
Mit seiner dritten Regierungserklärung zum Ende seiner ersten Legislaturperiode hat Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eine breite Faktenvorlage geliefert. Zugleich gab er eine Vorausschau darauf, wohin sich das Land - aus seiner Sicht idealerweise unter schwarz-gelber Verantwortung - bis 2025 entwickeln soll. 8000 neue Lehrer statt 16 000 künftig wegfallender Stellen, wie von der rot-grünen Vorgängern geplant, Verachtfachung der Betreuungsplätze und bald 43 Prozent aller Schüler im Ganztagsunterricht, 3000 neue Familienzentren und die Halbierung des Unterrichtsausfalls. Das sind die Zahlen, mit denen sich die Wahlkämpfer von CDU und FDP jetzt munitionieren. Die Opposition tat sich gestern schwer, dem in der Sache entgegenzutreten. Statt eines klaren Gegenbeweises gab es meist ein »ja, aber.« Oppositionsführerin Hannelore Kraft (SPD) und Grünen-Chefin Sylvia Löhrmann hatten es doppelt schwer, weil Rüttgers mit seiner Vorstellung von der »ökologischen Industrieregion« und der sozialen Gesellschaft, die keinen zurücklässt, ihnen gründlich das Wasser abgegraben hatte. Ein paar nette grüne Sätze reichten nicht aus für echte ökologische Politik, bestätigte Löhrmann indirekt ihr Dilemma: Dieser Landesvater findet für alles und jeden das richtige Wort. Und Hannelore Kraft wurde nicht müde zu betonen, dass die soziale Gerechtigkeit bei der SPD eben doch besser aufgehoben ist. An der messbaren Verbesserung der Lage im Vergleich zu 2005 kann es keinen Zweifel geben. Auf dem Arbeitsmarkt hat NRW heute 290 000 Vollarbeitsplätze mehr - und das mitten in der Krise. Die Bildungsausgaben machen 40 Prozent des Landeshaushalts aus (plus vier Punkte). Kein Bundesland gibt einen höheren Steueranteil an die Kommunen weiter als NRW - nämlich mehr als 60 Prozent. Andererseits rebellieren die Studenten trotz massiver Investitionen und 90 Prozent aller Kommunen droht die Pleite. Hintergrund: Wegbrechende Gewerbesteuer und Kosten für soziale Aufgaben, der der Bund den Städten und Gemeinden aufgebürdet hat. Man darf gespannt sein, wie sachlich die etwas komplizierteren Verantwortlichkeiten im Wahlkampf diskutiert werden. Die Opposition bedient sich da, genau wie ihre schwarz-gelben Gegenspieler früher auch, gern der jeweils beliebtesten Vorurteile. Da wird das Bild vom eiskalten Marktradikalen und der »Bildungsökonomisierung« ebenso bemüht, wie Jürgen Rüttgers als größte sozialpolitische Fata Morgana aller Zeiten verschrieen wird. Wohl denn. NRW stehen stürmische Wahlkampfzeiten bevor. Deswegen war es gut, dass gestern der Einstieg in die Faktendiskussion begonnen hat. Vielleicht bleiben den Bürgern, die sich bis zur Stimmabgabe am 9. Mai informieren wollen, einige Wochen zur Sachdebatte, bevor die Hitze des Gefechts alle guten Vorsätze demokratischer Fairness endgültig schmilzen lässt.
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