Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Margot Käßmann
Bielefeld (ots)
Margot Käßmann ist eine der mächtigsten Frauen Deutschlands. Seit vier Monaten steht sie an der Spitze der Evangelischen Kirche. In ihrem Amt repräsentiert sie 25 Millionen Protestanten. Nachdem sie am Samstagabend betrunken am Steuer erwischt wurde, diskutiert ganz Deutschland: Muss Margot Käßmann als Vorsitzende der Evangelischen Kirche zurücktreten? Antwort: Ja. Die Theologin sollte die Verantwortung ihrer Trunkenheitsfahrt übernehmen und die Konsequenzen ziehen. Ihr Fehlverhalten ist zu gravierend, ihr Image zu sehr beschädigt. Wer an der Spitze der evangelischen Kirche in Deutschland steht, hat sich darauf eingelassen, Vorbild zu sein. Und Vorbilder werden zu Recht nicht nur an ihren Worten, sondern vor allem auch an ihren Taten gemessen. Zwar dürfen auch Vorbilder Fehler machen - das ist mehr als menschlich - doch dieser Fehltritt wiegt schwerer und ist alles andere als nur ein kleiner Patzer. Niemand ist perfekt und das sollte auch von niemandem verlangt oder erwartet werden. Und dennoch muss sich die Landesbischöfin an besonderen Maßstäben messen lassen. In einem Interview mit dem TÜV-Nord 2007 hatte sie noch zu Recht »mangelndes Verantwortungsbewusstsein« von Autofahrern kritisiert, »insbesondere wenn Alkohol und Drogen mit im Spiel sind«. Nun hat sich die Theologin selbst verantwortungslos verhalten. Sie hat nicht nur sich, sondern auch Mitmenschen in Gefahr gebracht. Ein Jahr ohne Führerschein und eine saftige Geldstrafe warten jetzt auf Margot Käßmann. Doch weit gravierender ist ihr Glaubwürdigkeitsverlust. Die Hannoveranerin ist eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Die in Marburg geborene Theologin hat sich einen Ruf als streitbare Mahnerin in brisanten sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen erworben. Aber wie will sie künftig den schweren Spagat schaffen, einerseits ihrer großen gesellschaftlichen Aufgabe in diesem hohen Amt gerecht zu werden und andererseits immer wieder mit dem Makel, betrunken Auto gefahren zu sein, in Verbindung gebracht zu werden? »Sieben Wochen ohne« - mit diesem Motto bewirbt die evangelische Kirche ihre alljährliche Fastenaktion. Ausgerechnet in der Fastenzeit hat sich Margot Käßmann alles andere als in Enthaltsamkeit geübt. Mehrfach hat sie betont, dass Alkohol für sie in der Fastenzeit tabu sei. Margot Käßmann selbst wird sich fragen müssen, ob sie derart belastet noch die moralische Autorität und Glaubwürdigkeit hat, die sie braucht, um ihr Amt auszufüllen. In dieser schwierigen Situation ist der EKD-Ratsvorsitzenden zu wünschen, dass sie den Mut hat, die richtige Entscheidung zu treffen. Margot Käßmann hat ihr Image ramponiert und sich angreifbar gemacht. Sie kann die Trunkenheitsfahrt nicht rückgängig machen, aber sie kann Verantwortung übernehmen. Buße tun allein reicht nicht.
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