Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Wehrdienst
Bielefeld (ots)
Karl-Theodor zu Guttenberg muss ein Glückspilz sein. Der Verteidigungsminister kann sagen und entscheiden, was er will. Seinen Spitzenplatz in der Hitliste der beliebtesten Politiker verteidigt er mühelos. Ob das wohl immer so bleibt? Schwere Tage stehen ihm erst noch bevor, wenn im Kundus-Ausschuss seine Aussagen mit denen der von ihm aus dem Amt gejagten Spitzenkräfte verglichen werden. Und mit seinem jüngsten Schnellschuss zu einer verkürzten Wehrpflicht hat sich zu Guttenberg keinen Gefallen getan. Die FDP strebt die Abschaffung der Wehrpflicht an, die Union hingegen will am Bürger in Uniform und an der Einberufung junger Menschen zum Bund festhalten. Wenn zwei gegensätzliche Entwürfe aufeinanderprallen, muss ein Kompromiss nicht immer die beste Lösung sein. Und warum prescht der Minister überhaupt vor? Zunächst galt der 1. Januar 2011 als Stichtag der Reform, nun soll es bereits der der 1. Oktober sein. Es ist ja löblich, wenn Guttenberg »Bummelerfahrungen« in den Kasernen abschaffen und dafür »sechs bestens genutzte Monate für junge Menschen« einführen und gleichzeitig die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber herausstellen will. Nicht zuletzt strebt Guttenberg eine höhere Wehrgerechtigkeit an. Der Verteidigungsausschuss wusste von nichts, und selbst das für den Zivildienst zuständige Familienministerium war vom Guttenberg-Coup nicht informiert. Und mahnenden Stimmen hat sich der Minister auch verschlossen. Gerade hatte der Wehrbeauftragte des Bundestages auf Ausrüstungs- und Ausbildungsmängel bei der Bundeswehr verwiesen und vor einer weiteren Verkürzung der Wehrpflicht gewarnt. Die Ausbilder in den Kasernen zweifeln am Sinn des Ministerplans. Die Grundausbildung soll in zwei Monaten durchgezogen werden und nach vier weiteren Monaten packen die jungen Menschen schon wieder ihren Koffer. Das sieht eher nach Schnupperdienst aus als nach einer soliden Ausbildung, die dem Sinn der Bundeswehr entspricht. Denn immer mehr deutsche Soldaten werden im Ausland eingesetzt - auch Wehrdienstleistende, wenn sie es denn wollen. Das Rüstzeug für diese Aufgaben ist kaum in wenigen Wochen zu vermitteln. Nicht zuletzt schütteln die Vertreter von Wohlfahrtsverbänden den Kopf. Sie stellen den Sinn eines sechsmonatigen Zivildienstes in Frage. Auch in Krankenhäusern, Behinderten- und Altenheimen gibt es eine Personalplanung, bei der Zivildienstleistende eine wichtige Rolle spielen. Es ist nicht zu viel verlangt, wenn auch diese Stellen mit in die Beratungen einbezogen würden. Das ganze erinnert an die fatale Entscheidung der Länder, die Schulzeit zu verkürzen und dann zu überlegen, wie die Lehrpläne zu entrümpeln sind. Ruckzuck mag der passende Ton auf dem Kasernenhof sein, nicht aber das richtige Motto bei der Umsetzung eines so wichtigen Vorhabens.
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