Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur US-Gesundheitsreform
Bielefeld (ots)
Und er kann es doch: Barack Obama hat die Gesundheitsreform in den USA durchs Ziel gebracht. »Nach fast 100 Jahren Gerede und Enttäuschung, nach jahrzehntelangen Versuchen und einem Jahr andauernder Bemühungen und Beratungen im Kongress« feierte sich der amerikanische Präsident in den Nacht zum Montag selbst. Das durfte er auch. Denn er hat geschafft, was weder Präsident Woodrow Wilson vor dem Ersten Weltkrieg noch Harry S. Truman nach dem Zweiten und auch nicht Bill Clinton gelang: die finanzielle Absicherung fast aller Bürger im Krankheitsfall. »So sieht der Wandel aus«, triumphierte Obama nach der Abstimmung im Repräsentantenhaus und surfte wieder auf jener selbst ausgelösten Welle, die ihn 2008 ins Amt trug. Unabhängig von der Person Obama hat die US-Politik endlich einen schlicht unmoralischen Zustand beendet: Die Diagnose einer tödlichen Krankheit ist nicht länger Todesurteil für Arme. Und: Die unerträgliche Praxis der Versicherungen, Menschen den Vertrag zu kündigen, wenn es teuer wird, ist ebenso abgeschafft wie die Möglichkeit, Menschen die Versicherung zu verweigern, nur weil sie eine Vorerkrankung haben. Präsident Obama hat Geschichte geschrieben, die Story seines Erfolges ist aber noch nicht abgeschlossen. Wer soll die 940 Milliarden Dollar teure Reform bezahlen?, skandieren die Republikaner. Kann sich Amerika dies leisten, gerade jetzt? So lautet die rein rhetorische Frage, mit der bei den Wahlen zum Kongress im Spätherbst den Demokraten die Mehrheit streitig gemacht werden soll. Obamas Gegenrede, die Reform bezahle sich von selbst, ja sie spare sogar Geld, dürfte bis dahin als typische Polit-Folklore widerlegt sein. Bei den Ausführungsbestimmungen und weiteren Korrekturzusätzen werden Opposition und Lobby alles daransetzen, Obamas Gesetz weiter zu verwässern. Das müsste nicht sein, wenn es gelungen wäre, die Opposition bei dieser Entscheidung von nationaler und historischer Bedeutung mit ins Boot zu holen. Außerdem: Auch künftig wird der Präsident der Gesundheitsreform weiter Arbeitszeit und Aufmerksamkeit in einem Maße widmen müssen, dass die vielen anderen Baustellen auch künftig vernachlässigt bleiben. Gäbe es in der Politik die Kategorie Dankbarkeit, müssten sich weder Obama noch die ihn stützenden Demokraten fürchten. Streng genommen sollten ihnen ausnahmslos alle Wählerstimmen der endlich krankenversicherten 32 Millionen US-Bürger bei künftigen Wahlen sicher sein. Aber so einfach ist die Sache nicht, zumal auch Kinder Profiteure der Reform sind. Unvorstellbar: einzelne »freie US-Bürger« werden demnächst sogar mit Strafgeldern und Haft gezwungen werden müssen, dass sie in den Genuss gesetzlicher Absicherung kommen. Amerika ist anders, aber nach dem Kongressentscheid zählt allein: Obama hat gewagt und gewonnen.
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