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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Helmut Kohls Geburtstag

Bielefeld (ots)

Kein Kanzler war so lange an der Macht wie er.
Kein Kanzler hat so polarisiert wie er. Helmut Kohl ist als tumbe 
»Birne« veralbert und zum Provinzpolitiker aus der Pfalz 
herabgewürdigt worden. Man hat ihn lange unterschätzt. Zugleich galt 
einer Generation die Gleichung »Kanzler = Kohl« als 
quasi-mathematische Konstante.
16 Jahre hat er regiert, acht Jahre die alte Bundesrepublik und - in 
einer Art zweiter Kanzlerschaft - noch einmal acht Jahre das neue, 
vereinte Deutschland. Helmut Kohls herausragende Leistungen sind die 
Vollendung der Deutschen Einheit und die Fortentwicklung eines in 
Frieden vereinten Europas. Nach dem Fall der Mauer zögerte er kurz 
und ergriff dann mutig die Initiative. Dabei war der Fortgang der 
Geschichte nicht so sicher, wie es heute gern dargestellt wird. Die 
Einheit war ein Glücksfall, keine Glückssache.
Für Kohl war sie Etappenziel, nicht Endstation. Vom europäischen 
Gedanken überzeugt, trieb er das Zusammenwachsen der 
Staatengemeinschaft voran und bahnte dem Euro den Weg. Spätestens am 
Ausgang einer Finanz- und Wirtschaftskrise historischen Ausmaßes 
lässt sich erahnen, wie wertvoll die Gemeinschaftswährung für Europa 
heute ist.
Helmut Kohl war ein Machtmensch. Mitunter hat er sein Umfeld 
drangsaliert. Seine Heimatliebe und Bodenständigkeit aber hat er nie 
verleugnet. Auch daran lag es, dass ihm die Massen folgten, wo sich 
die Eliten abwendeten. Helmut Kohl dominierte die CDU. Er war schon 
ein Netzwerker, als es den Begriff noch gar nicht gab. Kohl hatte 
sein Ohr an der Basis, auch ohne Handy und SMS. Er modernisierte sie 
inhaltlich und personell, beinahe bis zu seinem eigenen Sturz. Auch 
holte er für die Union sensationelle Wahlergebnisse.
 Am Ende hat Helmut Kohl der CDU großen Schaden zugefügt. In der 
Parteispendenaffäre stellte er sein gegebenes Ehrenwort über das 
deutsche Recht. Das musste zum Bruch führen. Kohl legte den 
Ehrenvorsitz nieder. Die CDU aber stand vor einem Scherbenhaufen. 
Lange hat es gebraucht, diesen Tiefpunkt zu überwinden. Heute sind 
die Wunden verheilt, doch Narben bleiben. Helmut Kohl den 
Ehrenvorsitz aufs Neue antragen? Für die Kanzlerin und 
CDU-Vorsitzende stellt sich diese Frage nicht mehr. Das mag herzlos 
klingen, ist aber nur konsequent und richtig. Hatte doch gerade 
Angela Merkel, die einst als »Kohls Mädchen« die bundespolitische 
Bühne betreten hatte, ihre Partei vom dunklen Schatten des Übervaters
befreit.
Visionärer Staatsmann und innerparteilich gefallener Held: Diese 
Ambivalenz macht Helmut Kohl aus. Mit dem 9. November 2009 begann so 
etwas wie sein Jahr. An diesem Samstag begeht er im ganz kleinen 
Kreis seinen 80. Geburtstag. Der 20. Jahrestag der Deutschen Einheit 
setzt am 3. Oktober den Schlusspunkt.
 Es sei denn, das Nobelpreiskomitee lässt der Ehrung eines 
weltpolitischen Hoffnungsträgers die Ehrung eines weltpolitischen 
Leistungsträgers folgen. Barack Obama sagte im vergangenen Jahr, er 
habe den Friedensnobelpreis nicht verdient. Helmut Kohl müsste das 
nicht tun.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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