Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rettung der chilenischen Bergleute
Bielefeld (ots)
Die einen sind nachts aufgestanden, um die Rettung der 33 Bergleute live im Fernsehen zu verfolgen, die anderen blicken eher nüchtern auf das, was in der Atacama-Wüste in Chile gerade passiert. Doch nahezu jeder findet seine ganz persönliche Verbindung zu der beispiellosen Rettungsaktion - ganz gleich, ob es grenzenlose Freude, höfliche Anteilnahme oder vielleicht auch Verwunderung über so viel weltweites Interesse ist. Über die Rettung der Kumpel, die hoffentlich ohne Zwischenfälle zuende geht, breitet sich eine Art kollektiver weltweiter Freudentaumel aus. 1600 Journalisten berichten aus Chile, via Twitter bekunden Tausende ihre Solidarität und ihre Freude mit den chilenischen Bergleuten und deren Familien. Es ist ein Ereignis, das die Welt für einen Moment eint, ein Ventil, Anteil zu nehmen, ohne persönlich betroffen zu sein. Die Unmittelbarkeit einer Liveübertragung im Fernsehen trägt zusätzlich zu dem Gefühl bei, Teil einer Welt zu sein, die gemeinsam nach Chile blickt. Bei vielen Deutschen werden zudem Erinnerungen wach an das als »Wunder von Lengede« in die Geschichtsbücher eingegangene Grubenunglück vor knapp 50 Jahren im eigenen Land. Als Wunder von Chile wird die Rettung allemal in die Geschichte eingehen. Aber ebenso als Beispiel dafür, wie sehr Menschen offenbar das Gefühl dieser gemeinsam erlebten Freude brauchen, weil man so für einen Moment die Probleme vergisst, mit denen man jeden Tag alleine fertig werden muss. Den Bergleuten kann man nur wünschen, erstmal in Ruhe gelassen zu werden, wenn sie das möchten. Denn trotz allen Jubels, aller Euphorie und dem Konfettiregen im Camp der Hoffnung - irgendwann werden die Kumpel wieder in der Realität ankommen müssen. Dann erst wird die Anspannung der vergangenen 69 Tage von ihnen abfallen und sie werden wirklich verstehen, wie knapp sie dem Tod entkommen sind. Wird einer der Männer jemals wieder unter Tage arbeiten können? Was ist mit Entschädigungszahlungen? Werden sie ihre Familien davon ernähren können? Gar nicht zu sprechen von den schweren Traumata, die so ein Ereignis bei den Betroffenen und ihren Angehörigen auslösen kann. Man muss den chilenischen Bergleuten wünschen, dass sie darüber sprechen können, was sie erlebt haben. Ganz gleich, ob mit einem Psychologen, ihren Familien oder aber der Öffentlichkeit. Doch auch die Welt sollte das Wunder von Chile nicht gleich zu den Akten legen, wenn der letzte Bergmann das Licht der Welt erblickt hat. Eine gesunde Anteilnahme an dem, was dort weiterhin passiert, ist den Kumpel und ihren Familien zu wünschen und würde den unglaublichen Hype um ihre Rettung in ein gesundes Verhältnis setzen.
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