Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Integrationsdebatte
Bielefeld (ots)
In unserer Republik tobt eine Debatte um Integration und Zuwanderung, die Züge des Irrationalen trägt und zum Kulturkampf zu entarten droht. Diese Debatte wird in Teilen so rückwärts gewandt geführt, dass wir Gefahr laufen, an den Herausforderungen der Zukunft zu scheitern. Immerhin sind endlich ein paar Selbstverständlichkeiten salonfähig, die viel zu lange tabuisiert worden sind. Dazu gehört, dass sich alle Menschen in unserem Land an Regeln zu halten haben. Unveräußerliche Basis ist dabei das Grundgesetz und alles, was ihm folgt. Es gilt für alle - ohne Ausnahme und ohne Ansehen von Person, Herkunft oder gar Religion. Auch ist nun unstrittig, dass Deutsch nicht nur die Amtssprache ist. Nimmt man beides zusammen, ist der Begriff Leitkultur nahe, gegen den lange erfolgreich agitiert wurde. Allein von diesem späten politischen Triumph zeugt Angela Merkels Satz vom Wochenende, »Multikulti ist gescheitert«. Er kündet vom verständlichen Ärger der Union, zu Unrecht der Deutschtümelei verdächtigt worden zu sein. So fällt es der CDU-Vorsitzenden hier leicht, dem CSU-Vorsitzenden zuzustimmen. Doch Horst Seehofer verengt die Debatte, wenn er »jede Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen« ablehnt. Ja, es gibt misslungene Integration. Ja, es gibt Parallelgesellschaften, die uns sorgen müssen. Die schonungslose Analyse der kürzlich erst verstorbenen Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig gibt ein beklemmendes Zeugnis davon. Und ja, Politik und Behörden haben vor diesen Problemen zu lange die Augen verschlossen. Ganz sicher müssen wir aus all diesen Fehlern lernen. Es hat sie reichlich gegeben, und sie sind von allen Parteien begangen worden. Und wir müssen schnell lernen, weil wir sonst das Klima in unserem Land vergiften. Genau das zeigt der ungeheure Zuspruch, den Thilo Sarrazin erfährt. Die Debatte gerade um die Integration der Muslime in unsere Gesellschaft, die zweifelsohne in der christlich-jüdischen Tradition steht, muss ohne falsche Zurückhaltung geführt werden. Dazu bedarf es unseres Selbstbehauptungswillens und unserer Offenheit. Mit Angst und Abschottung aber werden wir das Problem nicht lösen, selbst wenn von heute an kein einziger Migrant mehr in unser Land käme. Auch versteht sich von selbst, dass Deutschland alle eigenen Talente aktivieren muss. Doch nach allem, was wir wissen, wird das nicht reichen. Wir brauchen Zuwanderung, besser noch Einwanderung. Schon heute fehlen vielerorts Fachkräfte, dieser Trend wird sich verschärfen. Angela Merkel weiß das alles. Ihre Aufgabe muss es sein, die Union nicht mit zwei Zungen sprechen zu lassen. CDU und CSU sollten den Diskurs auf die Kriterien einer Einwanderungspolitik lenken. Dieser Streit ist notwendig und lohnenswerter als die derzeitige Debatte, die allenfalls die Elite der Migranten abschreckt und dem eigenen Volk etwas vorgaukelt. Es geht nicht um einen Krieg der Religionen, es geht um unsere Zukunft.
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