Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu gesunder Ernährung
Bielefeld (ots)
Eines haben die Skandale um Gammelfleisch, Dioxin oder Analogkäse gemeinsam: Wenn der erste Aufschrei verklungen ist, kehrt schnell Normalität ein. Dabei sollte es uns dauerhaft beschäftigen, was täglich auf dem Teller landet. Es scheint, als ob die Rückkehr zum Alltag nicht nur ein Anliegen der Lebensmittelindustrie, sondern auch der Wunsch vieler Verbraucher ist. Sich mit Ernährung zu beschäftigen, kann unbequem sein. Es kann bedeuten, etwas auf den Prüfstand zu stellen, worüber man sich bislang nie Gedanken gemacht hat. Etwa über das liebgewonnene tägliche Stück Fleisch in der Kantine. »Wenn die Menschen nicht wissen, wie Gesetze und Würste gemacht werden, schlafen sie ruhiger«. Diesen Satz soll Reichskanzler Otto von Bismarck einmal gesagt haben und er dürfte heute noch gelten. Angefangen vom Billig-Fleisch, dem man - verpackt in mundgerechte Stücke - zum Glück nicht ansieht, unter welchen Bedingungen die Tiere teilweise gelebt haben und wie sie gestorben sind. Uns ist vor allem wichtig, dass der Preis stimmt. Daran ändert auch ein Lebensmittelskandal nichts, wie eine Umfrage nach dem Dioxin-Skandal gezeigt hat. Und es ist der Verbraucher, der diesen Preis über seine Nachfrage bestimmt. Es gibt ein Überangebot an Fleisch, meterlange Regale mit Joghurt im Supermarkt und überall Snacks, die verführen - trotzdem oder gerade dadurch haben wir verlernt, die Lebensmittel wertzuschätzen. Jetzt setzt normalerweise die Litanei von den teureren, aber besseren Lebensmitteln ein. Eine Forderung, die mit der Lebenswirklichkeit von einkommensschwachen Familien kaum zu vereinbaren ist. Fleisch, Obst und Gemüse mit Bio-Siegel sind erheblich teurer als Produkte aus konventionellem Anbau. Für Eltern mit niedrigem Einkommen wird es unmöglich sein, ihre Kinder nur mit Bio-Lebensmitteln zu versorgen. Zumindest nicht, wenn unsere Ernährungsgewohnheiten unverändert bleiben. Doch das finanzielle Argument ist nur eine Seite der Medaille. In vielen Familien ist es selbstverständlich, Fertigprodukte zu kaufen. Und die sind viel teurer als einfache Gerichte wie Eintöpfe oder Kartoffeln mit Saisongemüse. Doch fürs Kochen bleibt oft wenig Zeit. Daran wird sich nichts ändern. Deshalb ist es um so wichtiger, die Ernährungslehre in Kitas und Schulen aufzuwerten. Das von der EU geförderte Schulobstprogramm und der Ernährungsführerschein sind gute Ansätze. Doch hier steckt mehr drin. Wenn Kinder gesund essen lernen und sozioökonomische Zusammenhänge der Nahrungsmittelproduktion verstehen, wird das ihre Einstellung zum Essen vermutlich langfristig beeinflussen. Noch wird das Fach Ernährungslehre oft als »Pudding-Abitur« belächelt. Das liegt nicht zuletzt an der antiquierten Art, wie es vielerorts unterrichtet wird. Das, was hier verbessert werden kann, dürfte am Ende allen schmecken.
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