Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Portugal
Bielefeld (ots)
Verkehrte Welt: Portugal muss als drittes Euro-Land unter den Rettungsschirm, aber die Sorgen halten sich in Grenzen. Zwar wird Spanien als nächster Patient für den Tropf genannt und die Wirtschaftsweise Prof. Beatrice Weder di Mauro spricht vom drohenden Dominoeffekt. Zugleich aber ist die Erleichterung in Brüssel unüberhörbar. Endlich habe sich Lissabon unter Euro-Kuratel gestellt, jetzt könne saniert werden. Ob die Nachricht nun gut oder schlecht ist - Portugal handelt genau so, wie es die Finanzmärkte erwartet und eingepreist haben. Womöglich kommt die Eurozone mit dem neuen Realismus in Lissabon einer Lösung der Schuldenprobleme insgesamt ein Stück näher. Erinnern wir uns an den Fall Griechenland: Als es im Mai 2010 wirklich böse aussah für die Gemeinschaftswährung und das gesamte europäische Projekt, waren Portugal und Spanien auch schon für beinahe zahlungsunfähig erklärt worden. Mit 110 Milliarden Euro schweren Garantien für Athen und rigoroser Sparpolitik, die staatliche Gehälter um 25 Prozent kürzte, konnte ein klares Signal gesetzt werden. Nach Irland, Pleitekandidat Nummer zwei, das jetzt 85 Milliarden Euro in der Hinterhand hat, wird mit Portugal ein politisches Muster deutlich: Demokratisch legitimierte Regierungen reiten sich erst in die Verschuldung und schaffen es dann nicht mehr, ihren Wählern ausreichend Disziplin und Einsicht für die Rettung aus eigener Kraft abzuverlangen. Hier springt Europa ein und repariert. Das kostet zunächst das Geld der anderen, aber die großen Volkswirtschaften wissen den Vorteil der Gemeinschaft zu schätzen. Deutschland wird demnächst als größter Einzelzahler für den Euro-Rettungsschirm, unter dem auch noch Platz für Spanien wäre, jährlich 4,34 Milliarden Euro in harter Währung auf den Tisch legen. Vor dem Hintergrund blendender Wirtschaftsdaten ist das leistbar, vor allem aber zeigt es, was mit einem nationalen Alleingang riskiert würde. Ganz anders sieht die Sache für die Pleitiers aus. Portugal tat sich mit seinem Antrag auf EU-Finanzhilfe wie zuvor Irland so schwer, weil es für das Land um Alles oder Nichts geht. Wer beim Euro-Amtsgericht in Brüssel antritt den Offenbarungseid zu leisten, kann auch gleich zurücktreten. Es macht nicht einmal für die jeweilige Opposition in einem Pleiteland Sinn, auf Bankrott zu setzen. Denn die knallharten Sparauflagen aus Brüssel gelten auch für jede Nachfolgeregierung. Europas Finanzknoten ist noch nicht durchgeschlagen und vor übereiltem Optimismus muss gewarnt werden. Aber jetzt stehen Griechenland, Irland und Portugal unter der Aufsicht von gleich drei mächtigen Aufpassern - der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Union und des Internationalem Währungsfonds. Außerdem: Der Abstand zu den Aufschlägen der nächsten drei Hochzinsländer - Spanien, Italien und Belgien - ist beruhigend groß. Die Spekulanten haben verstanden.
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