Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Afghanistan
Bielefeld (ots)
Der Afghanistan-Krieg wird immer grausamer und verlustreicher: Soldaten schießen auf Aufständische, eine Bundeswehr-Patrouille gerät in eine Sprengstofffalle, zwei deutsche Soldaten sterben bei einem Taliban-Angriff, General Markus Kneip wird verwundet, und nun sollen Frauen und Kinder bei einem Nato-Hubschrauberangriff umgekommen sein. Kein Tag vergeht ohne schlimme Nachrichten vom Hindukusch. Beim Anschlag auf General Kneip hatte sich der Selbstmord-attentäter als afghanischer Polizist getarnt. Die Ermittler vermuten, dass ihm afghanische Sicherheitskräfte geholfen haben. Trifft dies zu, könnte die Bundeswehr den Afghanen nicht mehr trauen, und die Sicherheitspartnerschaft - das »Partnering« - geriete ins Wanken. Verteidigungsminister Thomas de Maizière will dennoch »den Weg der Partnerschaft nicht verlassen.« Er hat auch keine andere Wahl: Die militärische Abzugsstrategie kann nur umgesetzt werden, wenn die Afghanen die Verantwortung für ihre Sicherheit selbst übernehmen. Das »Partnering« bleibt somit - trotz aller Risiken - unerlässlich. Dabei bleiben Mut und Ausdauer unserer Soldaten vorbildlich: Die Bundeswehr erfüllt ihren Auftrag im Rahmen der Bündnisverpflichtung; sie tut dies pflichtbewusst und couragiert, und das verdient unseren Respekt und unseren Dank. Das blutige Chaos am Hindukusch wirft aber erneut die Frage auf, ob der Bundeswehreinsatz politisch noch vernünftig ist. Hinterfragt werden muss, ob die deutschen Opfer politisch tragbar sind. Seit dem Tod Osama Bin Ladens drängt der amerikanische Kongress verstärkt auf einen Militärrückzug. Die These, die westliche Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt, hat sich überlebt. Heute geht es primär um einen innerafghanischen Konflikt, der militärisch nicht zu »gewinnen« ist. Geheimdienste, Polizei und Verfassungsschutz sind die besten Mittel gegen Terroristen - nicht Panzer und Raketen. Trotz aller bösen Meldungen heißt die gute Nachricht, dass die Nato inzwischen den schrittweisen Rückzug der internationalen Truppen beschlossen hat. Bis 2014 soll die afghanische Regierung die Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernehmen. Der US-Rückzug beginnt dieses Jahr, die Deutschen folgen 2012. Das ist eine vernünftige Strategie. »Wir fühlen uns der Zukunft Afghanistans verpflichtet«, hatte Kanzlerin Angela Merkel 2010 beim Nato-Gipfel in Lissabon bekräftigt. Doch dies wäre eine Zukunft ohne deutsche Soldaten. Denn langfristig muss sich Afghanistan vom westlichen Militärschirm lösen und für seine Sicherheit selbst sorgen, so dass Deutsche nur noch als Ausbilder und zivile Helfer gebraucht werden. Das wird den Bürgerkrieg zwischen den Taliban und der Regierung zwar nicht beenden, aber dies ist dann nicht mehr unser Krieg. Erst dann werden dort keine deutschen Soldaten mehr sterben.
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