Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema NRW-Landtag:
Bielefeld (ots)
Von Lehman bis Laumann war der Weg nicht weit am Chaos-Donnerstag vergangene Woche im Landtag. Während im Landesparlament die geordnete Aufspaltung der West-LB sieben Stunden lang zu platzen drohte, sackten an den Weltfinanzplätzen erste Indizes weg. Wall Street schaute auf NRW - statt nach Athen - und EU-Kommissar Joaquín Almunia sowie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble schrieben SMS an Landesfinanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Erinnerungen an den Zusammenbruch der Privatbank Lehman-Brothers kamen auf, als 2008 hochspekulative Finanzkontrakte reihenweise wie die Dominosteine umfielen. Eine Weltwirtschaftskrise bis dahin nie erlebten Ausmaßes folgte. »Die haben sich verzockt«, zog auch Nicht-Börsianer Karl-Josef Laumann eine Analogie zur Lehman-Pleite. Der Zorn des CDU-Fraktionschefs galt allerdings der SPD im Landtag und deren Ministerpräsidentin persönlich. Erstmals stand Hannelore Kraft (SPD) ohne Duldung der Linken da und verlor prompt eine extrem wichtige Abstimmung. Zudem hatte ihre Fraktion eine völlig unpolitische Verabredung für Krankheitsfälle ohne Not gebrochen. Krafts Mehrheit »mit den Kommunisten« halte nur solange, wurde Laumann deutlich, wie sie Geld ausgeben könne. Dem Fraktionschef ging es um eine Milliarde Euro. Diesen für andere eher bescheidenen Betrag wollte der knorrige Westfale im Landeshaushalt eingerechnet sehen, damit die breite Zustimmung aus NRW zum West-LB-Konzept nicht noch mehr Schulden bedeutet. Das Ja der CDU gab es nach Stunden der Unregierbarkeit in NRW um 19.02 Uhr doch noch - ohne Finanzvereinbarung und um des lieben Friedens willen. Seitdem ist alles anders. Das Vertrauen zwischen CDU und SPD ist nachhaltig zerstört und in vielen offenen Finanzfragen sitzt die CDU durch Richtersprüche aus Münster jetzt am längeren Hebel. Damit fehlt der SPD jeglicher Spielraum, um sich das Stillhalten der Linkspartei zu erkaufen. Kurzum: Die Sozialdemokraten müssen lernen, kleine Brötchen zu backen. Erstes Opfer des Großkonfliktes könnte die Schulpolitik werden. Eigentlich wollen Kraft und CDU-Landeschef Norbert Röttgen am kommenden Freitag über das dringend erforderliche neue Schulgesetz sprechen. Bis zu 100 geplante Gemeinschaftsschulen sollen 2012 ohne Experimentierklausel starten können. Jetzt steht zu befürchten, dass die Großkopfeten über das Kitten zerschlagenen Porzellans nicht hinaus kommen. Außerdem: Eltern und Kommunen brauchen Gewissheit, ob das versprochene beitragsfreie letzte Kindergartenjahr tatsächlich noch in diesem Sommer beginnt. Die Zeit läuft davon. Landtagssitzungen gibt es nur noch Ende Juli, in denen Kraft um neue Mehrheiten für ihre Finanz- und Schulgesetze werben kann. Die Frage ist: Bei wem?
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