Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Rot-Grün in Düsseldorf
Bielefeld (ots)
Die Sektkorken werden nicht knallen. Denn zum Feiern hat die rot-grüne Landesregierung in NRW nach einem Jahr im Amt keinen Grund. Weil der Koalition für die eigene Mehrheit eine Stimme fehlt, mogelt sie sich durch. Irgendwie. Nur wenn es um das Ausgeben des nicht vorhandenen Geldes geht, mischt die Linkspartei mit und sorgt durch Enthaltung oder Zustimmung dafür, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre Stellvertreterin, Sylvia Löhrmann, das Experiment der Minderheitsregierung nicht nach zwölf Monaten beenden müssen. Sie waren angetreten, Vorbild für andere Länder sein zu wollen. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke sieht die Landesregierung als angeschlagenen Boxer, der durch den Ring stolpert. Selbst wenn das stimmen sollte, fehlt FDP und CDU die politische Kraft, der Koalition den K.o.- Schlag zu verpassen. Den wirkungsvollsten Treffer setzte das Verfassungsgericht, das Rot-Grün den Nachtragshaushalt 2010 um die Ohren schlug. Der Etat sei verfassungswidrig, weil die Schulden zu hoch seien. Am Dienstag stellte die CDU eine weitere Klage vor. Ihrer Ansicht nach verstößt auch der Haushalt 2011 gegen das Gesetz, weil die Summe der Neuverschuldung um fast eine Milliarde Euro über die der Investitionen liege. Wie lange kann die Landesregierung ihr Konzept der »vorbeugenden Finanzpolitik« durchhalten? Schulden bleiben Schulden, egal wie man sie nennt. Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen warnt davor, im Haushalt weiter Sozialausgaben als Investitionen zu verkaufen, um mehr Kredite ausnehmen zu dürfen. Höhere Schulden seien nur mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes zu begründen. Das geht nicht in einer Zeit, in der Steuern sprudeln wie selten zuvor. In anderen Situationen würden die Oppositionsparteien mit der Faust auf den Tisch schlagen und sofortige Neuwahlen fordern. Umfragen nehmen CDU und FDP sowie den Linken jeden Mut. Rot-Grün könnte ihre Mehrheit ausbauen, Liberale und Linke müssten um den Einzug in den Landtag bangen. Resignierend stellt CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann fest: »In NRW lässt sich derzeit kein Wahlkampf mit landespolitischen Themen führen.« Mit dieser Bestandsgarantie im Rücken fällt es Kraft und Löhrmann leicht, eine positive Zwischenbilanz zu ziehen. Damit sich die Schulpolitik nicht zum Desaster entwickelt, geht Rot-Grün auf die CDU zu. So bleibt der Haushalt als Schwachpunkt. Wenn der Verfassungsgerichtshof das Land zum Sparen zwingt, muss sich die Linke entscheiden. Entweder sie zückt auch den Rotstift, oder sie macht den Weg frei für Neuwahlen. Das wäre die sauberste Lösung. Niemand will länger eine schwache Regierung und mutlose Opposition.
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