Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Kritik an Angela Merkel
Bielefeld (ots)
Alles schon mal da gewesen. Während die Kanzlerin Urlaub macht, muckt die Parteibasis auf. Aufgeblasenes Sommertheater? Nein, es steckt mehr dahinter - auch wenn der Zeitpunkt der Kritik erneut nicht der richtige ist. War es im Sommer 2010 die »zunehmenden Sozialdemokratisierung der CDU«, geht es diesmal um den Gesamtzustand der Partei, der nicht nur dem ehemaligen Ministerpräsidenten Baden- Württembergs, Erwin Teufel, Sorgen bereitet. Seine Kritik ist keine Einzelmeinung. Die Angriffe sind ernstzunehmen, weil sie die Stimmung der Parteibasis widerspiegeln. Viele vermissen nach wie vor einen klaren Kurs der Kanzlerin. Wofür steht die Union? Wo grenzt sie sich von anderen Parteien ab? Was sind ihre Themen? Diese Fragen sind unklar, weil Angela Merkel eine pragmatische Politikerin ist, die im Hier und Jetzt entscheidet, aber keine Vision vorgibt. Die Basis fühlt sich zu wenig mitgenommen. Das liegt daran, dass Angela Merkel bei Entscheidungen wie dem Atomausstieg die Partei außen vor lässt. Sie legt quasi heimlich in ihrem engsten Kreis fest, wohin die Reise geht. Für Angela Merkel spricht, dass man ihr eigentlich nicht vorwerfen kann, eine grundlegend falsche Politik zu machen. Beispiel Euro-Krise: Die Kanzlerin war es, die sich in weiten Teilen mit ihren Forderungen zur Griechenland-Rettung durchgesetzt hat. Merkel hat den Euro vor dem Untergang bewahrt - vorerst jedenfalls. Dennoch kann sie von diesem Erfolg nicht profitieren, weil die komplizierte Griechenland-Hilfe in der öffentlichen Wahrnehmung darauf reduziert wird, dass Steuergeld in Milliardenhöhe fließt. Wahr ist, dass bislang nur ein Bruchteil der zur Verfügung gestellten Summe abgerufen worden ist. Beispiel Atomausstieg: Obwohl Merkel hier noch immer ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, musste sie nach Fukushima so schnell wie möglich die Rolle rückwärts machen. Sonst hätten andere das Thema besetzt. Aber obwohl die Bevölkerung mehrheitlich raus aus der Kernenergie will, kann Merkel auch mit diesem Thema nicht punkten. Das Problem der Kanzlerin ist, dass sie ihre Politik nicht gut genug verkauft. Hinzu kommt, dass sie vor lauter Euro-Krisen ihre Inlandspolitik vernachlässigt. Und ihr drittes Problem ist die FDP. Der ständige Streit um Steuersenkungen und die ewige Baustelle Hotelsteuer ziehen die CDU mit runter. Nur gut für Merkel, dass die SPD keine gute Oppositionsarbeit leistet. Die Regierung braucht aber auch gar keine Opposition. Sie ist ihre eigene. Am Montag kommt Angela Merkel aus dem Urlaub zurück. Dann folgt erneut ein »Herbst der Entscheidungen«. Den Auftakt machen von September an sechs Regionalkonferenzen mit der Parteibasis. Im November folgt ein möglicherweise unangenehmer Parteitag. Bei der nächsten Wahl in Mecklenburg-Vorpommern sieht es nicht danach aus, dass die CDU die SPD als stärkste Partei ablösen wird. Und im Frühjahr könnte die schwarz-gelbe Mehrheit in Schleswig-Holstein verloren gehen. Angela Merkel droht ein rauer Herbst.
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