Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Rücktritt von Christian von Boetticher
Bielefeld (ots)
Immerhin hat die schleswig-holsteinische CDU schnell reagiert. Nach Christian von Boettichers unrühmlichem Abgang wollen die Christdemokraten schon am Mittwoch die Weichen für die Zukunft stellen. Was Wunder, denn die Zeit drängt. Schon am 6. Mai 2012 wird ein neuer Landtag gewählt, und die Aussichten der CDU, an der Regierung zu bleiben, sind überaus bescheiden. Nicht erst seit Sonntag übrigens. Kommt es so wie erwartet, dann wird Wirtschaftsminister Jost de Jager neuer Spitzenkandidat und auch Parteivorsitzender. Den 46-Jährigen erwartet ein politisches Himmelfahrtskommando. Zwar gilt der Rendsburger vielen an der Förde schon längere Zeit als der bessere Spitzenmann, doch wie de Jager in nur neun Monaten das Blatt zugunsten der CDU wenden soll, ist vollkommen unklar. Die Bilanz der schwarz-gelben Landesregierung von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist längst nicht so glänzend, wie sie es für einen reibungslosen Stabwechsel sein müsste, die politische Großwetterlage für CDU und FDP alles andere als berauschend und der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig durchaus respektabel. Schließlich nicht zu vergessen: Schon Carstensens Sieg im September 2009 kam einer Sensation gleich und war wesentlich dem Rekordergebnis der FDP sowie den Eigenheiten des schleswig-holsteinischen Wahlrechts zu verdanken. Mit beidem aber ist es nicht mehr so weit her. Die Liberalen haben sich bundesweit selbst in den Abgrund gerissen, dem Wahlrecht ist das Landesverfassungsgericht zu Leibe gerückt. Daher auch rührt der Neuwahltermin deutlich vor Ablauf der Legislaturperiode. Land unter also für die CDU? Gut möglich, aber was wäre die Alternative gewesen? Ein im gesamten Wahlkampf belasteter Spitzenkandidat, der wider seine eigenen, pointiert konservativen Werthaltungen gelebt hat. Wohl kaum. Nein, der Rücktritt von Christian von Boetticher - ob am Ende freiwillig erfolgt oder erzwungen - ist für die Christdemokraten eine Befreiung. Von Boetticher hat seiner Partei einen letzten Dienst erwiesen, wenn auch sichtbar schweren Herzens. Was von Boetticher bewogen hat, ein Verhältnis mit einer 16-Jährigen einzugehen, mag sein Geheimnis bleiben. Dass er es getan hat, konnte kein Geheimnis bleiben. Nicht in den Ämtern, in denen er sich befand und erst recht nicht mit Blick auf das Amt, das er nun anstrebte. Der Aderlass der CDU an etablierten Köpfen, die klar einen Standpunkt vertreten und ihrer Partei so Profil geben, ist hinreichend bekannt. Ebenso dramatisch aber erscheint mittlerweile der Abgang von Nachwuchsleuten, die über den Status eines Hoffnungsträgers nicht hinauskommen, weil sie sich auf die eine oder andere Weise selbst demontieren. In dieser Reihe stehen Dieter Althaus, Stefan Mappus und nun auch Christian von Boetticher. Die CDU muss sich nicht nur um ihre gegenwärtige Lage Sorgen machen, sondern auch um ihre Zukunft.
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